Bremer Theater-Intendant gestorben: Der Tod von Michael Börgerding ist einfach nur traurig
Ein Theatermann der das Rampenlicht mied: Michael Börgerdings Superkraft war es, Talente zu erkennen und ihrer künstlerischen Arbeit Räume zu geben.
Michael Börgerding, Generalintendant am Theater Bremen, ist am Sonntag gestorben. Wie traurig diese Nachricht ist, lässt sich anhand der spröden Fakten nicht so recht ermessen. Börgerding, obschon absolut ein Theatermann, hatte wenig bis gar keine Freude daran, im Rampenlicht zu stehen. Ja, sogar Regie zu führen war, bis auf ein paar sporadische Arbeiten Ende des vergangenen Jahrhunderts in Göttingen, seine Sache nicht.
Börgerding, 1960 im niedersächsischen Lohne geboren, arbeitete hinter den Kulissen der Kulissen. Als Dramaturg war er am Staatstheater Hannover und am Thalia in Hamburg erfolgreich gewesen. Dass er außerhalb der Fachwelt nur wenig bekannt blieb, scheint ihm gerade recht gewesen zu sein. Selbst demjenigen Publikum war sein Name kaum ein Begriff, das von seiner Arbeit am meisten profitiert hat.
Das war seit 2012 das von Bremen und hätte es bis mindestens 2027 bleiben sollen: Dort nämlich hatte der bisherige Direktor der Hamburger Theaterakademie damals den Posten des Generalintendanten übernommen, obwohl der pompöse Titel und die autokratische Funktion so gar nicht zu ihm passten.
Vor Börgerding die Sintflut
Vor Börgerding war sozusagen die Sintflut gewesen: Ein selbstherrlicher Vorgänger hatte das Traditionshaus mit Starkult, goldfarbenen Programmheften und Porsche als Kooperationspartner so richtig in die Grütze geritten. Ein vierköpfiges Leitungsteam hatte es dann gerettet.
Aber auch die Kulturverwaltung bevorzugt klare Hierarchien und Verantwortlichkeiten, also einen Intendanten. Börgerding war die Idealbesetzung, weil seine Vorstellung von Theater das Gegenteil der Glamour-Kultur seines Vorgängers war.
Glanz war darin etwas, das durchaus mal entstehen kann, aber eben nur als eine Art Abfall- oder Nebenprodukt. Kann man sich drüber freuen, ist aber nicht der Kern: Börgerdings Theater ist – und das sollte ihn überleben! – ein Raum fürs Erproben und Versinnlichen von Gedanken. Ein Labor also eher, in dem die Stadtgesellschaft reflektieren und zum Dialog finden kann.
Etwa darüber, wie sich Inklusion leben lässt: Das Festival „Mittenmang“ als schönste Frucht von Börgerdings Wirken in Bremen bereitet Tanz-, Schauspiel- und Performance-Gruppen eine Bühne, die sich aus gleichberechtigten Akteur*innen mit und ohne Behinderung zusammensetzen.
Auch hat sich das Theater Bremen an die Randlagen der Stadt bewegt, in verrufene, finanzschwache Ortsteile – und spätestens seit den Covid-verkorksten Spielzeiten auch mit der Rückeroberung des fast durchkommerzialisierten öffentlichen Raums der City begonnen.
Das funktioniert nur mit jemandem, der die monarchische Rolle des Intendanten mit milder Ironie annimmt. Und nur dank Neugier auf die Menschen, mit denen er zu tun hat: Börgerdings Superkraft war, Leute zu fördern und zu entdecken, an das Talent anderer zu glauben und ihnen Spielräume zuzusichern.
Oder andere, die längst auf Leitungskarrieren zurückblicken können, gleichsam zu resozialisieren, sprich: sie vom Verwalten zu erlösen, damit sie sich wieder aufs Gestalten konzentrieren können. Auf diese Weise hat er an Bremen trotz miserabler finanzieller Bedingungen große Namen gebunden – und noch vielen mehr dabei geholfen, es zu werden.
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