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Bremer Landtagswahl 2019SPD macht Platz für AfD

Die Sozis setzen auf Volksvertreter aus urbanen Zentren – die Hochburgen der Rechten überlässt sie anderen. Und wo kaum noch gewählt wird, zieht sie sich zurück.

Über die Schalthebel der Macht von Carsten Sieling wird eben nicht in Gröpelingen entschieden Foto: Carmen Jaspersen/DPA

BREMEN taz | Die Bremer SPD gibt ihre ehemaligen Hochburgen am Rande der Stadt weitgehend auf. Statt dessen setzt sie bei der nächsten Bürgerschaftswahl vor allem auf bio-deutsche PolitikerInnen aus der östlichen Vorstadt oder Schwachhausen, jenen Vierteln, in denen die Wahlbeteiligung am höchsten ist. Das ergibt sich aus der vorläufigen KandidatInnen-Liste, auf die sich die Mandatskommission des SPD-Unterbezirks Bremen-Stadt am Wochenende geeinigt hat. Die Partei hält sie noch unter Verschluss, der Weser-Kurier hat sie schon, auch der taz liegt sie jetzt vor. Der Vorschlag muss aber noch von einem Parteitag gebilligt werden.

Dem Bericht zufolge stehen hinter Spitzenkandidat Carsten Sieling zunächst – wenig überraschend – die drei SenatorInnen Claudia Bogedan, Ulrich Mäurer und Eva Quante-Brandt. Die Landesvorsitzende Sascha Aulepp kandidiert auf Platz sechs, vor dem Bürgerschaftspräsidenten Christian Weber (72) aus Hastedt, der seit 1990 im Landtag sitzt. Für ihn gilt die „Zwölfender-Regel“ nicht, die besagt, dass Abgeordnete maximal drei Wahlperioden im Parlament bleiben sollen. Ihr waren früher schon kompetente FachpolitikerInnen zum Opfer gefallen. Bei Weber zählt das Amt, das er inne hat.

Der frühere Landesvorsitzende und Weyher Bürgermeister Andreas Bovenschulte bekommt Platz neun und liegt damit vor Fraktionschef Björn Tschöpe, der nur noch auf Platz elf gelistet ist. Tschöpe liegt gerade eben vor den beiden SeiteneinsteigerInnen Birgitt Pfeiffer, der Leiterin der Freiwilligenagentur, und IG Metall-Chef Volker Stahmann.

Die ersten KandidatInnen mit Migrationshintergrund findet man erst auf den weniger aussichtsreichen Plätzen: Zwar kandidiert die in der Sowjetunion geborene Abgeordnete Valentina Tuchel aus der Vahr auf Platz 16. Bildungspolitiker Mustafa Güngör, Findorffs Beiratssprecherin Gönül Bredehorst und Innenpolitiker Sükrü Senkal aus Huchting beispielsweise sind aber erst auf den Plätzen 19 bis 21 listet. Parlamentarier Mehmet Seyrek aus der Vahr steht auf Platz 31, der Arcelor-Betriebsrat Muhammet Tokmak auf Platz 37 und die syrisch-deutsche Kulturwissenschaftlerin Jasmina Heritani, die ebenfalls aus Gröpelingen kommt, gar erst auf Platz 40.

Wahlumfragen

32,8 Prozent der Stimmen erreichte die SPD bei der Wahl 2015 – das reichte für 30 Sitze.

Bei der Landtagswahl 2019 muss die SPD erneut mit großen Verlusten rechnen: Eine neue Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der CDU sieht diese gleichauf mit der SPD bei 26 Prozent. Eine Umfrage im Auftrag der SPD sieht diese bei 28 und die CDU bei 24 Prozent, während eine Erhebung für Bild die SPD bei 22, die CDU bei 24 Prozent sah.

Die AfD rangiert zwischen sechs und neun Prozent, die Grünen lagen in mehreren Umfragen bei 14, jetzt bei 20 Prozent.

Für ArbeiterInnen ist kaum noch Platz in der SPD-Fraktion, nicht mal für Menschen aus den früheren Arbeitervierteln: Unter den ersten 15 KandidatInnen fallen da nur die Sozialpädagogin Petra Krümpfer aus Gröpelingen und Falk Wagner aus Walle auf. Wagner, der in der Finanzbehörde arbeitet, kandidiert als Chef des Unterbezirks Bremen-Stadt auf Platz fünf und soll die Fahne der ansonsten unterrepräsentierten Jusos hochhalten. Chancen hat noch die Verwaltungsangestellte Anja Schiemann aus Woltmershausen, die auf Platz 18 rangiert. Pierre Hansen aus Gröpelingen, der Sprecher des Zentralelternbeirats, kommt indes erst auf Platz 58.

Sehr gut vertreten ist dafür die linksgrün dominierte östliche Vorstadt, aus der neben Sieling, Bovenschulte oder Aulepp auch der Wirtschaftspolitiker Arno Gottschalk (Platz 17) kommen. Dem fiel Daniel de Olano zum Opfer, der sich ehrenamtlich stark im Kulturbereich engagiert und der der Fraktion etwas Kulturkompetenz hätte geben können – aber er kommt auch aus dem Viertel und wäre nur auf Platz 65 gelandet. Er sagte ab.

In urbanen Quartieren ist die Wahlbeteiligung mittlerweile am höchsten, während sie in Gröpelingen 2015 nur noch bei 36,8 Prozent lag, in anderen Ortsteilen mit hoher Armuts- und Migrationsquote ist es ähnlich. Überall dort sind mittlerweile Hochburgen der AfD entstanden, die bei der letzten Landtagswahl in Gröpelingen oder Osterfeuerberg Spitzenwerte erreichte.

In diesen Quartieren soll die SPD-Fraktion aber nun kaum mehr präsent sein. Dabei erreichte sie 2015 ihre höchsten Werte dort, wo immer weniger wählen gehen – in Oslebshausen, der Vahr, Blockdiek oder Gröpelingen. Doch während die SPD 2011 noch in zehn Ortsteilen die absolute Mehrheit gewann, war das schon 2015 nirgendwo mehr gelungen.

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4 Kommentare

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  • In Orten mit hoher Armut ist die Wahleteiligung gering. Sie werden zu Hochburgen der AfD.

    Na, Kein Angeot der Teilhabe, höchstens Frust, klares (Sch..)Resultat.

    Aer sich um Soziales zu kümmern ist ja nicht angesagt.

  • Man kann in Bremen nur inständig hoffen, dass die unfähige CDU vor der SPD landet und der SPD nichts anderes übrig bleibt, als um eine rot-rot-grüne Koalition zu betteln, um an den Fleischtöpfen bleiben zu können, weil sie eine Koalition unter Führung der noch erbärmlicheren Bremer CDU als absolute Demütigung empfinden müsste.

    So hätte die rot-grüne Regierung wenigstens in den Linken ein Korrektiv und Bremen hätte vielleicht eine Chance, wirklich eine Politik zu machen, welche das ehemalige SPD Klientel nicht weiter zur AfD treibt.

    Dass die SPD altverdiente Genossen auf die aussichtsreichen Plätze bringt, ist doch sehr verständlich. Besser kann man sich nicht aufstellen, wenn man wirklich nichts verändern, den unbeliebtesten Bürgermeister der Republik behalten und den stetigen Niedergang Bremens festklopfen will.

    Es ist ja schier unglaublich, wie die Bundes SPD das Thema Rentenreform verschenkt hat, und die Wähler der AfD quasi mit der Nilpferdpeitsche zutreibt.

    Anstatt mutig eine atemberaubende Reform zu entwerfen, in der umsatzstarke aber personalarme Unternehmen und Menschen, die von Kapitalerträgen leben, zur Finanzierung der gesetzlichen Sozialversicherungen verpflichtet werden, fällt der SPD nix anderes ein, als die zwangsweise gesetzlich sozialversicherten "Durchschnittsdeppen" erneut durch eine Erhöhung der Beiträge zu belasten.

    Das ist doch erbärmlich ohne Ende.

    So müssen die Wähler mittlerweile seit 2005 mit der Gewissheit leben, dass es wirklich egal ist, was sie wählen, - am Ende kommt Merkel, bzw. eine unionsgeführte Regierung dabei heraus.

    Eine SPD, die sich von der CDU nur dadurch unterscheidet, dass einige soziale Stellschrauben einen Mikromy mehr nach links gestellt sind als bei der CDU, braucht kein Mensch.

    Die Scholzens, Schulzens, Steinmeiers, Gabriels, Schröders, Oppermänner und Nahlesse sollten zu Gunsten der engagierten 3. oder 4. Garde für eine mitte-links Vision von Gesellschaft endgültig von der politischen Bühne abtreten.

    • @Thomas Elias:

      genau so.

  • Korrekte Massnahme. Die SPD ist eine Lobbyorganisation des öffentlichen Dienstes. In Bezirken in denen Arbeiter u. Angestellte leben hat die SPD nichts zu suchen.