: „Bremer Kulturszene am Ende?“
■ Podiumsdiskussion der Jungen Union im Kulturzentrum Schlachthof
Als damals unser Kaiser selig die Sozis als vaterlandslose Gesellen beschimpfte, da war das ja nicht falsch. Nur schlecht ausgedrückt. Denn es fehlt ihnen nicht der tumbe Hurra-Patriotismus und die Begeisterung für den vaterländischen Unfug, sondern offensichtlich ging es um etwas anderes. Um Geschichts- und Selbst-Bewußtsein, um Interesse an lebendigen Ausdrucksformen und an allem, was nicht mit dem Geld zusammenhing, das sie auch nie hatten, um Geschmack. Den Mangel daran kann man zwar verstehen, aber verzeihen kann man ihn nicht. Und gänzlich unverzeihlich wird er, wenn die Sozis an den Geldhähnen sitzen, jahrezehntebreit und unangefochten und damit dem schüchternen kulturellen Brodeln, das sich bisher hat über die Runden retten können, so langsam den Hals abdrehen. Das ist nicht bös gemeint, im Gegenteil, besten Willens und in der Gewißheit, daß was teuer ist
auch Qualität verspricht, investieren sie. Nur, so werden Millionen verschleudert, und das nur, weil die Sozis immer noch teuer für lebendig halten weil sie nichts von Kultur verstehen. Vaterlandslose Gesellen eben.
Angesichts des Ideenvakuums, das die sozialdemokratische Kulturpolitik in dieser Stadt darstellt, entstehen Allianzen ganz neuer Art. Da verschwistert sich die „Junge Union“, die hier ja nicht in Gefahr geraten kann, sich durch die Sozialpolitik ihrer Mutterpartei zu diskreditieren, mit der Kultur-Szene und lädt zu einer Podiumsdiskussion ins Kulturzentrum Schlachthof, an der außer dem Gesprächsleiter Jens Eckhoff („Hier spricht nicht Detektiv Rockford, sondern die Stimme von Jens Eckhoff“) und Jörg Kastendiek als Vertretern der JU, als seriöse Verstärkung Dr. Bernt Schulte, Kulturpolitiker in der CDU-Bürgerschaftsfraktion auch ein Vertreter des
Stadtmagazins „Prinz“ (wegen Krankheit nicht vertreten) und Wolfgang Stemmer für den Verein Fotoforum teilnehmen sollten. Und wenn die dann so diskutieren, dann liegen die gar nicht so weit auseinander. Schulte analysiert konsensfähig: 1. Der Kulturetat mit seinen 1,2 % des bremischen Gesamthaushalts ist zu niedrig. Anzustreben sind die vom Deutschen Städtetag geforderten 3 %. Nur durch eine Ausweitung des Kulturetats ließe sich erreichen, daß die bewilligten Mittel nicht schon vorab für die laufenden Verpflichtungen verplant sind und nichts für die Unterstützung der freien Szene übrig ist. 2. Der Senator hat sich bisher, weil er nicht über freies Geld verfügte, einen Teil der Kulturarbeit über ABM finanzieren lassen. Dies muß aufhören, weil in der Abhängigkeit von den höchstens zweijährigen ABM-Zyklen nicht die notwendige Kontinuität in den Kulturprojekten entstehen kann.
3. Weil die Projekte gezwungen sind, immer wieder bei der Behörde betteln zu gehen, die dann zu ihrer Finanzierung bestenfalls einen Betrag aus Lottomitteln beischießt und nicht einen parlamentarisch abgesegneten regulären Haushaltstitel, durchsetzen kann, geraten sie in Abhängigkeit von der Gnade des Senators, Kulturpolitik wird zum obrigkeitlichen Gnadenerlaß. 4. Weil die senatorische Behörde nicht in der Lage ist, zu erkennen, wo interessante Kultur entsteht, muß ein möglichst hoher Anteil des Kulturetats durch ein behördenunabhängiges Gremium verteilt werden. Die CDU plädiert dabei für eine Stiftung, in die einzuzahlen man die Wirtschaft bewegen könnte, wenn der Senat sich verpflichtete, die akquirierte Summe aus eigenen Mitteln zu verdoppeln.
Bei allen Forderungen blieb die Ausgangsfrage unbeantwortet: Wenn sie solche Allianzen eingehen muß, ja.
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