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Bremer Künstlerhaus auf der KippeMangelware Proberaum

Hunderte Mu­si­ke­r*in­nen und Kulturschaffende nutzen das Künstlerhaus „Use Akschen 91“. An einem Nachbarschaftsstreit droht das Projekt zu scheitern.

Außen eher öde, innen angenehm laut: Das Künstlerhaus „Use Akschen 91“ in Bremen Foto: Krischan Meyer

Bremen taz | In seinem Tonstudio hängen zahllose Backstage-Pässe. Für fast alle, die in der deutschen Pop- und Rockszene Rang und Namen haben, hat er bereits gearbeitet. Timo Hollmann, gerade ist er mit Rapper Sido auf Tour, ist Tontechniker und betreibt in der Bremer Überseestadt ein Tonstudio. Sein Studio befindet sich versteckt hinter dem Einkaufszentrum „Waterfront“ auf einem ehemaligen Werftgelände im Künstlerhaus „Use Akschen 91“. Das Künstlerhaus dürfte jenseits der Mu­si­kszene nur wenigen Leuten ein Begriff sein, gilt aber als Hotspot Bremer Musikszene. Und nun muss es eventuell schließen. Es geht um Fluchtwege und Lärm.

Das von außen etwas öde wirkende Gebäude wurde vormals als Ausbildungsstätte der Schiffswerft AG Weser genutzt. Daher auch der Name: „Use Akschen“, also „Unsere Aktie“, ist der plattdeutsche Kosename der AG Weser. Derzeit sind auf den knapp 5.000 Quadratmetern mehr als 400 Mu­si­ke­r:in­nen und Kulturschaffende, sowie eine Kaffeerösterei und ein Fitnessstudio untergekommen. Es ist laut Hollmann das zweitgrößte Proberaumgebäude in Bremen. Für viele war der Schreck groß, als bekannt wurde, dass die „Use“, wie sie von vielen genannt wird, von der Schließung bedroht ist.

Proberaum besteht seit 2013

Bereits seit 2013 proben Mu­si­ke­r:in­nen hier. Karl-Heinz Kaiser, der derzeitige Besitzer des Grundstückes, hatte das Haus damals gekauft und es den Mu­si­ke­r:in­nen überlassen. Hollmann hat die ersten Proberäume mit aufgebaut und betreibt seitdem dort sein Studio. Doch das Gebäude wurde von den Behörden bisher nicht offiziell als Künstlerhaus anerkannt, sondern wird nur geduldet.

Bei einer behördlichen Prüfung, die wegen des Duldungsstatus regelmäßig durchgeführt wird, wurde nun festgestellt, dass für das Nachbargrundstück eine sogenannte Baulast fehlt. In einer Baulast wird festgehalten, wie ein Grundstück bebaut oder genutzt wird. Im Fall der „Use“ ist das wichtig, da ein Fluchtweg aus dem Haus auf dem Nachbargelände liegt. Erklärt der Nachbar in der Baulast, dass er den Fluchtweg nicht anderweitig nutzen will, könnte die Genehmigung sofort durchgehen.

Nachbarschaftsstreit währt schon länger

Aber der Nachbar will eine entsprechende Baulast nicht unterzeichnen. Wegen der Lautstärke der probenden Mu­si­ke­r:in­nen gibt es nämlich schon länger Streit. Zuletzt hatte der Nachbar vom „Use“-Besitzer Kaiser gefordert, die Nutzung der Proberäume zeitlich zu beschränken und bei Verstößen Geld zu zahlen. Für Musiker:innen, die oftmals bis in die späten Abendstunden proben, ist eine zeitliche Begrenzung eine schwer zu erfüllende Bedingung.

Der Besitzer des Nachbargrundstücks, der namentlich nicht genannt werden will, erklärt im Gespräch mit der taz, er sei aber sehr am Erhalt der Einrichtung interessiert und habe den Hausbesitzer Kaiser mehrmals um ein Absicherungskonzept mit Hausmeisterdienst gebeten, ohne Erfolg.

In Bremen ist das Angebot an Räumen für Mu­si­ke­r:in­nen nicht groß. Neben der „Use Akschen 91“ gibt es das Gebäude des Vereins „Musikszene Bremen“ im alten Zollamt am Hansator im Stadtteil Walle. Beide Orte sind hoffnungslos überbucht. Viele Bands müssen sich daher nach Proberäumen in Lagerhäusern, Bunkern oder Kellern umsehen, die oft in privater Hand und schlecht ausgestattet sind, keine Heizung haben oder schlecht mit öffentlichem Nahverkehr erreichbar sind.

Ich wüsste nicht,wo man jetzt noch Proberäume finden könnte

Timo Hollmann, Tonstudio-Inhaber im Bremer Künstlerhaus „Use Akschen 91“

Das Problem der fehlenden Räume betrifft jedoch nicht nur Mu­si­ke­r:in­nen aus Bremen. „Ein Drittel der Mie­te­r:in­nen kommen aus Niedersachsen. Wir haben Bands aus Verden hier, die fahren 60 Kilometer hin und zurück, um hier zu proben. Da sieht man den Bedarf“, sagt Tonstudio-Betreiber Hollmann. „Ich wüsste nicht, wo man jetzt noch Proberäume finden könnte.“ Neben Amateur- und Hob­by­mu­si­ke­r:in­nen proben hier auch deutschlandweit bekannte Künst­le­r:in­nen wie die Indie-Pop Band Raum27 oder das Metal-Duo Mantar.

Kulturressort hofft auf Lösung

Der Sprecher des Bremer Kulturressorts teilt auf taz-Anfrage mit, man sei „sehr daran interessiert, das Proberaumangebot in der Stadt aufrechtzuerhalten und auszubauen“. Jedoch handele es sich im Fall der „Use Akschen“ um baurechtliche Verordnungen. Da könne man nichts machen, bedauert der Sprecher. Man sei aber in die Gespräche involviert und hoffe auf eine einvernehmliche Lösung.

Insbesondere auf Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram machen nun viele Bremer Mu­si­ke­r:in­nen auf das Problem aufmerksam. Unter dem Hashtag #useakschenjetzt posten viele Bands Videos, in denen Sie zur Rettung des Künstlerhauses aufrufen. Außerdem gibt es eine Petition auf der Website der Bremischen Bürgerschaft, mit der sie für den Erhalt der „Use“ werben wollen. Am Dienstag haben mehr als 2.000 Personen unterschrieben. Sie läuft noch bis zum 4. August.

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2 Kommentare

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  • Falls eine Baulast auf das Nachbarschaftsgrundstück eingetragen wird, senkt das dessen mögliche Nutzbarkeit und damit dessen Wert. Dass dies dem Nachbarn nicht gefällt und er dafür einen Ausgleich haben möchte, ist nachvollziehbar.



    Problem: das kostet dann den Eigentümer des Künstlerhauses Geld. Entweder er bezahlt den Nachbarn für die Baulast, oder senkt den Lärm, wie vom Nachbarn gefordert. Da könnte er das Gebäude entweder (noch) besser akustisch dämmen (kostet Geld) oder die Probenzeiten der Musiker einschränken. Das Letztere führt aber zu einer eingeschränkten Nutzbarkeit seines Gebäudes, es würde weniger Miete einbringen und der Wert sinken. Also wieder eine Geldfrage. Mieterhöhungen für eine bessere Schallschutzdämmung will aber auch keiner und Hobby-/Nebenerwerbsmusiker sind selten reich und könnten sich die auch kaum leisten. Die Stadt Bremen ist auch chronisch pleite und dürfte dies auch nicht subventionieren können.

  • Use Akschen 91 ist im Stadtteil Gröpelingen und die Überseestadt gehört zum Stadtteil Walle für alle die sich nicht so auskennen in Bremen!