: Bremer Behörden mißachten Roma
■ Vernichtendes Fazit eines Senats-Gutachtens: Vorurteile und verweigerte Hilfe
Aufgrund eines befürchteten weiteren Zuzugs von Roma und der eindeutigen Feststellung, daß Bremen in keiner Weise darauf vorbereitet ist, zeigt sich seitens der Innen- und Sozialbehörde eine zunehmende Tendenz, restriktive Maßnahmen zu ergreifen. Es besteht die Tendenz, Probleme lediglich zu konstatieren, jedoch keine Maßnahmen daraus abzuleiten. Vorliegenden Empfehlungen, z.B. des Deutschen Städtetages, wird keine erkennbare Beachtung geschenkt. Zu keinem Zeitpunkt ist es in den letzten vier Jahren gelungen, einen Vertreter der Zielgruppe mit einzubeziehen.
Diese vernichtende Kritik am Umgang der Behörden mit Roma, die es nach Bremen verschlagen hat, stammt nicht etwa aus einer grünen Presseerklärung. Sie steht — ausführlich mit vielen Fallbeispielen auf über 100 Seiten begründet — in einem Gutachten zu „Stand und Entwicklungsbedarf der Arbeit mit Roma in Bremen“, die der Senator für Jugend und Soziales in Auftrag gegeben hat. Die Studie wurde nicht veröffentlicht, liegt aber der taz vor.
Nicht nur der Sozialbehörde und den Schulen, auch der Polizei wirft die Autorin des Gutachtens, die Sozialwissenschaftlerin Alice Grimsehl-Scheu, unsensibles Vorgehen und kräftige Vorurteile im Umgang mit Roma vor. Zwar würden Roma seit 1988 nicht mehr als ethnische Gruppe bei den Behörden gesondert registriert. „Dennoch finden sich in der Akte Begriffe wie 'romaspezifische Kriminalität', die sich in den Angaben der Polizeibehörde insofern vergleichbar darstelle, als man über sogenannte 'Erfahrungswerte' verfüge“, schreibt Grimsehl-Scheu, die für die Erstellung des Gutachtens umfassende Akteneinsicht bekam. „Auffallend ist die Tendenz“, faßt das Gutachten die Behördenpraxis zusammen, „auftretende Probleme, wie z.B. die schlechte soziale Situation, Kriminalitätsprobleme, Schulverweigerung als gruppenspezifische Eigenarten anzusehen und nicht im Rahmen einer allgemeinen Problematik gesellschaftlicher Randgruppen zu relativieren.“
Die Schuld an dieser Stigmatisierung könne jedoch nicht den MitarbeiterInnen der Behörden zugeschoben werden: „Die hohe Arbeitsbelastung und die Unmöglichkeit, auch bei der Feststellung schwerster Notsituation eine Verbesserung für die betroffenen Familien zu erzielen, führt bei den Beratungsstellen-MitarbeiterInnen zu großer Arbeitsunzufriedenheit und Resignation“, stellt das Gutachten fest, „Mißstände können nur noch konstatiert, jedoch nicht geändert oder aufgefangen werden. Wohnungen und Unterkünfte sich in der Regel hoffnungslos überbelegt, mit der Folge sozialer Schwierigkeiten und Auffälligkeiten, die wiederum zu Differenzen mit Nachbarn und Vermietern führen und an deren Ende die Ablehung der gesamten Gruppe Roma steht.“
In zwei Fällen, die in dem Gutachten erstmals dokumentiert sind, wurde Bremer Roma-Familien von der Behörde sogar die Sozialhilfe gestrichen. Diesen Versuch, Roma aus Bremen zu vertreiben, stoppte jedoch das Oberverwaltungsgericht. Wandernden Roma dürfe die Sozialhilfe nicht verweigert werden, befanden die Richter, da sie „aufgrund des für sie geltenden Arbeitsverbots“ ihren Lebensunterhalt ja gar nicht selbst bestreiten dürfen. Dirk Asendorpf
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