: Bremer Bahnhof bleibt berberfrei
■ Obdachlose werden weiter vertrieben / Bahnhofsverwaltung schert sich wenig um Order der Bahn AG
Obdachlose sollten besser draußen bleiben – mit diesem Motto hält sich das Bremer Bahnhofsmanagement derzeit unliebsame Gäste vom Hals. Eigentlich dürfen seit Freitag Obdachlose in allen deutschen Bahnhöfen übernachten, so die Deutsche Bahn Zentrale in Frankfurt. Doch der Bremer Bahnhof präsentiert sich in diesen eisigen Nächten immer noch garantiert obdachlosenfrei.
„Das läuft alles sehr gut“, freut sich der Bremer Bahnhofsmanager Peter Leßmann, „bei uns hat bisher noch keiner übernachtet.“ Zu kalt sei es im Bahnhof, vermutet er lapidar, „deshalb kommt keiner“. Doch die Erfahrungen der Obdachlosen sprechen eine andere Sprache: „Die schmeißen dich sofort raus, wenn du keine Fahrkarte vorweisen kannst,“ sagt ein frierender Obdachloser aus der Sögestraße.
Vor vier Tagen genau hatte die Deutsche Bahn in Frankfurt alle ihre Kollegen im Bundesgebiet offiziell angewiesen, daß „Obdachlose bleiben können“, so eine Bahnsprecherin. „Die Bahnmitarbeiter sollen den Menschen helfen und mit ihren Problemen behutsam umgehen“, sagt sie. Und das taten sie auch: In Hannover wärmen sich jetzt nachts Wohnungslose auf – auch in Frankfurt und Berlin sind die Türen offen. Sogar schon inoffiziell seit mehr als zwei Wochen.
Doch die Bremer haben sich für ihre Stadt einen ganz besonderen Service einfallen lassen: Das Bahnhofsmanagement setzt auf die altbewährte Raushaltetaktik: Zwar werde offiziell „keiner vertrieben“, beteuert der Bahnhofschef. Aber eingeladen wird auch keiner. Wer nach 20 Uhr im Bahnhof Zuflucht sucht, bekommt sofort eine Fahrkarte am Service Point in die Hand gedrückt: Zur baldigen Weiterfahrt in die Übernachtungstätte an der Duckwitzstraße oder zum Jakobushaus bestimmt. Dort sind zur Zeit insgesamt 75 Übernachtungsplätze für Wohnungslose eingerichtet. Auch die Bahnpolizei kann zum Einsatz kommen, verrät der Bahnchef. Die verfrachtet Obdachlose dann schon mal selber per Privateskorte ins Übernachtungshaus.
Das Argument für diese mit der Bahnhofsmission ausgehandelte Stoßlinie: „Wir sind schließlich keine Sozialstation für Bremen“, sagt Leßmann. „Die Bahnhöfe sind für Reisende da.“. Außerdem gebe es bei den Obdachlosen auch kaum Übernachtungsbedarf - die Schlafplätze für Wohnungslose würden völlig ausreichen.
Eine Einschätzung, die Heide Grewe von der Bahnhofsmission lieber nicht kommentiert. Rund 30 Obdachlose betreut die Mission täglich zwischen 7.30 und 20 Uhr. Dort teilen Mitarbeiter heiße Suppe, Getränke, warme Bekleidung und auch Schlafsäcke aus. Doch was sich nach diesen Hilfsdiensten ab 20 Uhr in den Nächten am Bahnhof abspielt, will die Missions-Leiterin Heide Grewe lieber nicht sagen: „Herr Leßmann hat gesagt, daß nachts kein Obdachloser kommt. Ich weiß nicht, was hier nachts stattfindet.“
Die Obdachlosen wissen es besser: Sie berichteten gestern von Polizeiwachen, die in den letzten Tagen die Bahnhofstüren versperrten. „Wir warten dann, bis die mal weg sind und gehen in die Halle“, erzählt einer. „Aber sobald die da sind, müssen wir sofort wieder raus.“ Wer nicht erfrieren will, macht deshalb lieber Platte in Wärmeschächten, unter Brücken oder in verlassenen Gartenhäuschen, vermutet der Jakobushaus-Leiter Berthold Reetz. Der Leiter des Bremer Obdachlosenhauses ist sich sicher: „Dabei würde im Bahnhof garantiert keiner erfrieren.“ kat
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen