: Bremen will Kurden dulden
■ Vorsichtiger Alleingang Bremens: Abgelehnte kurdische Asylbewerber sollen ab sofort nicht mehr ausgewiesen werden / Dennoch: Türkei ist kein Krisengebiet / Erfolg für den Bremer Flüchtlingsrat
Aus Bremen Michael Weisfeld
„Abschiebung von Kurden in die Türkei kommt zur Zeit nicht in Frage.“ Vor dem überraschten Publikum einer Podiumsdiskussion über Ausländerrecht machte der Bremer Innensenator am vergangenen Donnerstag diese Aussage. Am folgenden Tag bestätigte er auf Anfrage: Aus Bremen werden ab sofort keine kurdischen Flüchtlinge mehr in die Türkei abgeschoben. Die Ausländerpolizei ist angewiesen, ihm die Akten vorzulegen, wenn sie die Ausweisung eines kurdischen Asylbewerbers vorbereitet hat, weil dessen Antrag rechtsgültig abgelehnt worden ist. Meyer will dann die „Duldung“ des Flüchtlings anordnen. Das bedeutet: Die Abschiebung wird für ein halbes Jahr ausgesetzt. Dann muß die Innenbehörde erneut entscheiden. Trotz „Duldung“ der kurdischen Flüchtlinge: Die Türkei wird nicht als Krisengebiet eingestuft, sagte Meyer bei der Diskussionsveranstaltung. Die kurdischen Flüchtlinge würden vielmehr als „Einzelfälle“ behandelt. Im Herbst 1986 hatten die Innenminister der SPD–regierten Länder vier Weltregionen als Krisengebiete anerkannt. In den Li banon, nach Sri Lanka und in die kriegführenden Golfstaaten sollte aus den sozialdemokratischen Bundesländern kein Flüchtling zurückgeschickt werden. CDU–Länder verfahren anders: Bayern zum Beispiel weist erfolglose Asylbewerber ohne Rücksicht auf Bürgerkrieg oder Folter in ihren Heimatländern aus. Berlin hat Sri Lanka gerade aus dem Katalog der Krisenregio nen herausgenommen. Kurdische Flüchtlinge standen bisher in keinem Bundesland unter besonderem Schutz. Innensenator Meyer befürchtet nun, daß kurdische Asylbewerber, die in Bayern oder Baden–Württemberg leben, nun ein zweites Mal flüchten - nach Bremen. Er will deshalb an der Praxis festhalten, solche Flüchtlinge in diejenigen Bundesländer zurückzuschicken, in die sie vom Zirndorfer Bundesamt eingewiesen worden sind. Der Bremer Flüchtlingsrat, ein Zusammenschluß von amnesty international, kirchlichen Gruppen und deutsch– ausländischen Initiativen, hat das schon seit Jahren gefordert, was der Bremer Innensenator jetzt zugestand. Aktuell betroffen von der Entscheidung der Innenbehörde sind vier kurdische Flüchtlinge.
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