: Bremen unbedingt meiden! -betr.: Zweitwohnungssteuer
Betr.: Zweitwohnungssteuer
Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Bremen, Herrn Henning Scherf:
Sehr geehrter Herr Scherf,
ich bin im September 1995 aus beruflichen Gründen nach Bremen gezogen. Meine Partnerin mußte aus denselben Gründen in Köln bleiben.
Nun wurde ich vor ca. zwei Wochen mit dem Phänomen der Zweitwohnungssteuer konfrontiert. Eine Einrichtung, die der Senat angeblich zum 1. Januar 1996 beschlossen haben soll. In meinem Fall macht diese Sondersteuer fast eine Nettokaltmiete pro Jahr aus, die ich an das Finanzamt Bremen zu zahlen habe. All dies nur, weil ich mir den Luxus erlaube, nach Bremen gezogen zu sein, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen.
Werter Herr Scherf, daß Bremen kurz vor dem Offenbarungseid steht, weiß ich. Daß Bremen, wenn es denn könnte, Geld von den Toten nehmen würde, sehe ich. Und daß die Zweitwohnungssteuer ein Ausfluß Ihrer völligen finanziellen Verzweiflung ist, begreife ich. Aber meinen Sie denn, ich bin freiwillig in diese Stadt gezogen? Meinen Sie, es ist ein besonderer Spaß, von seiner Partnerin getrennt wohnen zu müssen? Meinen Sie, es ist ein Luxus, der mit einer Steuer belegt werden muß, wenn man seinen Lebensmittelpunkt verlaßt, um nicht mehr arbeitslos zu sein? Daß also wer flexibel und mobil ist, bestraft werden sollte? Wie sollen denn erst Familien, die aus beruflichen Gründen getrennt leben müssen, das bewältigen?
Ich weiß nicht, welches Argument Sie für die Zweitwohnungssteuer vorbringen. Lassen Sie mich nur noch folgendes sagen: Ich bringe Kaufkraft in eine Stadt, deren Dienstleistungen auf einem wirklich traurigen Niveau sind. Eine Kaufmannsstadt, die den Ladenschluß auf 18.00 Uhr vorverlegt, ist nicht nur lächerlich, sondern für jeden alleinlebenden Berufstätigen schlicht katastrophal (und so wie ich die Stadt bisher kennengelernt habe, wird auch die Änderung der Ladenschlußgesetze in den jeweiligen Wohnvierteln nichts verbessern!). Von den Öffhungszeiten öffentlicher Institutionen, z.B. der Stadtbücherei wollen wir gar nicht reden!
Ihre Methoden, zu Geld zu kommen sind nicht nur eine Strafe für Menschen, die mobil sind, sondern sie führen letztlich zu dem Entschluß, Bremen baldmöglichst wieder zu verlassen, da man hier ausgequetscht wird wie eine Zitrone (ich sage nur als nächstes Stichwort: Müllgebühren).
Ich wünsche keinem Bürger Bremens das finanzielle Debakel, das dieser Stadt bevorzustehen scheint, aber ich kann – sofern es um Dienstleistungen der und finanzielle Inanspruchnahme durch die Stadt geht – jedem potentiellen Zuziehenden nur empfehlen, Bremen unbedingt zu meiden!!
Mit freundlichem Gruß Hans-Christoph Zimmermann
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