: Brecht als akzeptabler Mann
■ Über den Versuch, einen Chauvi zu retten / Sabine Kebir und ihr Brecht
Der populäre Vorwurf, vornehmlich aus feministischen Reihen, Brecht habe seine Geliebten nach Strich und Faden ausgebeutet, bewegte die Schriftstellerin Sabine Kebir dazu, sich mal genauer mit Brecht und seinen Frauen auseinanderzusetzen. Schon als junges Mädchen war sie Brechts Liebeslyrik verfallen. Seine Gedichte schienen ihr zu schön, um nicht wahr zu sein. Bei ihrer „erwachsenen“ Nachforschung taten sich gleich soviele Hinter-und Abgründe auf, daß sie damit ein ganzes Buch („Brecht - ein akzeptabler Mann?“) füllen konnte. In plauderndem Ton wird darin berichtet, daß sich Brecht jeden Morgen den Kaffee habe machen lassen, wie er überhaupt nie die Küche mit seinen jeweiligen Partnerinnen geteilt habe. Weiterem Kaffeklatsch beugt sie dann allerdings schon früh vor, wenn sie behauptet, daß die Gretchenfrage nicht sei, ob Brecht den Kochlöffel geschwungen habe oder nicht: ausschlaggebend für die Kritik sei doch, ob er den Frauen Autonomie zugestanden habe. An dieser Stelle rief sie die Schauspielerin Helene Weigel auf den Plan, wel
che laut Kebir, trotz jahrelanger Ehe mit Brecht, doch stets ihre Kreativität und Stärke behauptet habe. Eine solche Partnerin sei Indiz dafür, daß Brecht geradezu „Neuland“ bezüglich der Emanzipation beider Geschlechter betreten habe, ja, daß „Brecht ein Verbündeter der Frauenbewegung war“. Solch kühne Thesen versucht Sabine Kebir anhand der künstlerischen Kooperation zwischen Brecht und seinen Frauen festzumachen: So habe beispielsweise Margarete Steffin einen „erheblichen Anteil“ an Brechts Werk, da sie stets darauf bestand, die Jamben seiner Verse auszuzählen. Ruth Berlau dagegen habe er bei ihrer Novellensammlung „Jedes Tier kann es“ tatkräftig beigestanden, ebenso wie Marieluise Fleißer bei ihrem Drama „Die Pioniere in Ingolstadt“ und Elisabeth Hauptmann beim „Happy End“. Anders als dem großen Brecht gelang allerdings keiner dieser Frauen der künstlerische Durchbruch. In der Weimaer Republik nicht, im Exil schon überhaupt nicht. Dafür ist aber nicht ihrer aller Chauvi verantwortlich zu machen, wie Sa
bine Kebir betont, sondern eine „verrückt-frauenfeindliche“ Presse und Öffentlichkeit. Die nahm Brechts Frauen - damals wie heute - eben vornehmlich als Weg-und Bettgefährtinnen wahr. Hier setzt auch die feministische Kritik an: Brecht verstand leider nicht nur nichts von Säuglingspflege, sondern polygamte obendrauf auch noch saftig von Dänemark bis Hollywood! Laut Kebir sei es da bei den Brecht'schen Weibern schon mal zu Protest und Eifersüchteleien gekommen, doch schließlich habe sich frau arrangiert, seinen lieben Briefen geglaubt, oder Gleiches mit Gleichem vergolten. Sabine Kebirs Projekt, einen Frauenfeind als Dichter zu rehabilitieren, ist ebenso diskutabel wie unterhaltsam. Daß Brecht bei ihr jedoch gleich zum feministischen Vorkämpfer avanciert, ist denn doch zu eifrig.
Am Ende bleibt der Dichter Brecht bei ihr ebenso unauflöslich widersprüchlich, wie es der Liebende für Helene Weigel war: „Brecht war ein treuer Mann, leider zu Zuvielen“.
Elke Webe
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