■ beiseite: Bratsch on stage
Klischees sind dazu da, daß man sie gebraucht und mit ihnen spielt, um dann gänzlich Neues zu erschaffen. So was kann fürchterlich danebengehen. Oder, wie im Fall der französischen Band Bratsch, zu einem ganz eigenen und wunderlichen Sound führen. Alles an Klischees drin bei denen, von Balkanfolklore, russischer Schwermut bis zu orientalischen Gipsykunststückchen, und trotzdem überhaupt nicht peinlich.
So eigenartig ihr Sound, so eigenartig ihre Bandwerdung vor zwanzig Jahren: Bruno spielte auf seiner Violine Samba-Einlagen in einer südfranzösischen Stripteaseshow, Dan war eigentlich nur der Rausschmeißer, brachte aber am nächsten Tag seine Gitarre mit. Dann begegneten die beiden Pierre mit dem Kontrabaß und redeten ihm seinen Job als Vertreter einer Ventilatorenfirma aus. Als auch der Klarinettist Nano seine Klezmerkapelle satt hatte und lieber frei durch die Genres musizieren wollte, waren Bratsch fast komplett. Die Band selbst nennt ihre Musik „prätraditionell“, und auch gegen die Bezeichnung „Post-Punk“ hat sie sicher nichts einzuwenden. Es ist Musik, die auf reale Elemente und Hintergründe zurückgreift und dabei die Musikkultur der Sinti und Roma nicht nur konservieren, sondern ihr auch neues Leben einflößen will.
Der Weltmusikpolizei gefällt zwar nicht so sehr, was die fünf Franzosen – Akkordeonspieler François stieß später dazu – da fabrizieren, das Publikum aber hat seinen Spaß: So schafften es Bratsch in diesem Jahr, das Pariser Szenelokal „Le Marocccanerie“ sage und schreibe 21 Abende am Stück auszuverkaufen.
Peter Pannke
Heute ab 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Mitte
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