Brandserie in Neukölln: Serie von Hausbränden schürt Angst

In zwölf Häusern in Neukölln wurde in den vergangenen Tagen Feuer gelegt. Meist blieb es bei Sachschäden. Die Polizei hat offenbar noch keine heiße Spur. Sie rät: Türen zulassen, nichts im Flur abstellen

Ausgebrannte Wohnung und die Überreste des angezündeten Kinderwagens in Neukölln. Bild: AP

Eine Brandserie hält den Bezirk Neukölln in Atem. Die Kriminalpolizei hat eine Sonderkommission eingerichtet, Zivilbeamte fahren Sonderstreifen. Die Feuerwehr bittet die Bevölkerung, die Haustüren verschlossen zu halten und keine Kinderwagen in den Fluren abzustellen. "Feuer mobilisiert bei den Menschen archaische Ängste", sagt Werner Platz, Arzt für Psychiatrie. "Aber gleichzeitig übt es eine ungeheure Faszination aus."

Es begann Samstag vor einer Woche, als drei Menschen in Folge eines Feuers in der Sonnenallee ums Leben kamen. Seither hat es in dem Bezirk zwölfmal gebrannt, so die Polizei. Auch in Pankow und in der Nacht zu Montag im Wedding wurde in Treppenhäusern Feuer gelegt.

Immer wenn es sich um Brandserien handelt, stellt sich die Frage: Ist ein Täter oder sind mehrerere Täter am Werk? Und mittlerweile sogar Trittbrettfahrer? 22 Hinweise aus der Bevölkerung seien bislang eingegangen, sagt ein Polizeisprecher am Montag. Eine heiße Spur scheint nicht darunter zu sein.

Erinnerungen an eine andere Brandserie, die den Bezirk Hellersdorf im vergangenen Jahr betraf, werden wach. Der oder die Täter wurden nie gefasst. Im Unterschied zu Neukölln waren in Hellersdorf keine Menschenleben zu beklagen gewesen. In über 60 Fällen waren in dem Bezirk Kinderwagen, Müllcontainer und Kellerverschläge angezündet worden. Das ging monatelang so. Einige Anwohner waren so entnervt, dass sie nachts selbst auf Streife gehen wollten.

Die Neuköllner haben das nicht vor. Zumindest ist der Polizei nichts dergleichen bekannt. Nach dem Brand mit den Todesopfern habe man die Bevölkerung in vier Sprachen über Präventionsmaßnahmen unterrichtet, sagt ein Sprecher. Das oberste Gebot laute: "Immer darauf achten, dass die Tür ins Schloss fällt, damit kein Unbefugter ins Haus kann."

Auch jüngst waren es oftmals in den Hausfluren abgestellte Kinderwagen, die in Brand gesetzt worden waren. Eigentlich dürfen Kinderwagen dort laut Bauordnung nicht abgestellt werden, ebenso wenig wie Sofas, Schuhschränke und Ähnliches. "Diese Vorschrift wird leider immer wieder missachtet", sagt ein Feuerwehrsprecher. Natürlich sei es für Eltern schwer einsehbar, dass sie den Kinderwagen vier Stockwerke hoch in die Wohnung tragen sollten. Aber Kinderwagen bestünden hauptsächlich aus Kunststoff. Ein einziger könne, einmal angezündet, ein ganzes Treppenhaus verräuchern. "Es kann nicht sein, dass Familien mit Kindern zum Sicherheitsrisiko für das ganze Haus werden." Und vor noch etwas warnt der Feuerwehrmann: auf keinen Fall die Wohnungstür aufmachen, wenn es im Treppenhaus brennt: "Ein Weg in den Rauch ist ein Weg in den Tod."

Werner Platz hat schon viele Angeklagte psychiatrisch begutachtet, die wegen Brandstiftung vor Gericht standen. Brandstifter seien in der Regel Männer, sagt er. Die Skala reiche vom Pyromanen, also dem pathologischen Brandstifter, bis zum Persönlichkeitsgestörten, der Kinderwagen anzünde, um Frust abzuladen. Platz geht davon aus, dass die Ermittler ein Profiling erstellt haben, um Beweggründe und den psychischen Zustand des Täters/der Täter zu erkunden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.