Brandsätze entfachen Sicherheitsdebatte: Ohne Patentrezept
Nach erneuten Brandsatzfunden entbrennt Debatte über Konsequenzen. Sicherheitsbeauftragter der Bahn hält Sicherung von Kabelschächten für schwierig.
Nach den mutmaßlich von Autonomen gelegten Brandsätzen auf Bahnanlagen in Berlin entzündet sich eine Debatte über die Konsequenzen der Attacken. Am Donnerstagvormittag wurden erneut zwei ungezündete Flaschen mit brennbarer Flüssigkeit zwischen den Bahnhöfen Südkreuz und Priesterweg entdeckt. Damit wurden bereits an neun Stellen des Streckennetzes Brandsätze aufgelesen.
Der CDU-Innenexperte im Abgeordnetenhaus, Andreas Gram, forderte, Linksextremismus genauso zu bekämpfen wie den Rechtsextremismus. Dies müsse auch für die Personalverteilung beim Verfassungsschutz gelten. "Wenn nötig, muss dort eben Personal aufgestockt werden", so Gram. Laut Cornelia Seibeld, CDU-Vertreterin für Inneres bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD, werden die Anschläge und linke Gewalt ein "wichtiges Thema" in den Gesprächen.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) widersprach der CDU: Links- und Rechtsextremismus würden gleichermaßen "geächtet". So habe Berlin als erstes Bundesland 2009 eine Studie zu linker Gewalt veröffentlicht. Als Konsequenzen aus den Anschlägen empfahl Körting der Bahn, "gegebenenfalls Videoanlagen nachzurüsten". Mehr Beamte, wie von Polizeigewerkschaften gefordert, lehnte der Innensenator im Inforadio ab: "Ich glaube, wir können die Aufgaben mit dem bestehenden Personal bewältigen."
Die Bahn kündigte an, "neuralgische Punkte" des Streckennetzes nochmals zu überprüfen. Bereits nach dem Anschlag auf eine Kabelbrücke am Ostkreuz im Mai habe man die Zahl der Sicherheitskräfte bundesweit von 3.200 auf 3.700 erhöht, sagte der Bahn-Sicherheitsbeauftragte Gerd Neubeck. So gebe es nun etwa am Ostkreuz eine "Dauerbewachung" der Kabelbrücke. Das Zusatzpersonal und bauliche Sicherungen hätten Kosten von 1 Million Euro verursacht. Die Sicherung von Kabelschächten bezeichnete Neubeck als schwierig. Würden diese einbetoniert, könnte bei Störungsfällen nicht sofort reagiert werden. Auch mehr Videoüberwachung sei "kein Patentrezept".
Die Bahn hatte am Mittwoch 100.000 Euro für Hinweise auf die Brandleger ausgelobt. "Das hat es in dieser Höhe noch nicht gegeben", sagte ein Sprecher. Es seien bereits erste Hinweise eingegangen. Sollten die Täter gefasst werden, könnten diese sich auf eine Schadenersatzklage "in Millionenhöhe" gefasst machen.
Auch bei der Berliner Polizei ist kein Fall in Erinnerung, bei dem eine derart hohe Belohnung ausgesetzt wurde. Bei Mordfällen sind 5.000 Euro üblich. Für Hinweise auf Autobrandstifter werden seit zwei Jahren 10.000 Euro ausgelobt. Tatsächlich ausgezahlt wurde Geld hierbei nur in zwei Fällen.
Durch den erneuten Brandsatzfund am Südkreuz war der S-Bahn-Verkehr am Donnerstag zeitweise gestört. Auch auf den ICE-Strecken nach Hamburg und Hannover und bei etlichen Regionalzügen kam es aufgrund der Funde aus den Vortagen weiter zu Verspätungen. Zusammen mit Bahnmitarbeitern setzten Bundespolizisten die Suche des kompletten Berliner Streckennetzes nach weiteren Brandsätzen fort. Es seien mehrere hundert Beamte unterwegs, teilte ein Sprecher der Bundespolizei mit. Welche Konsequenzen seine Behörde aus den Anschlägen ziehe, sei noch unklar. "Da warten wir die Ermittlungsergebnisse ab."
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