Brandenburger Seen zu verkaufen: Seenland in Spekulantenhand
Mit einer Petition wehren sich Brandenburger gegen den Verkauf des Mellensees durch den Bund. Doch das könnte erst der Anfang sein. Bis zu 300 Seen droht die Privatisierung.
Ob Bürgermeister, Angler, Fischer, Badegäste oder Touristen - am Mellensee bei Zossen südlich von Berlin kennen alle nur noch ein Thema: den geplanten Verkauf ihres Sees durch die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) mit Sitz in Düsseldorf. Die Privatisierung des 275 Hektar großen Sees ist nach dem Verkauf des Wandlitzsees im Jahr 2003 der zweite spektakuläre Fall in Brandenburg - und ruft Widerstand hervor. Einer Onlinepetition beim Bundestag haben sich bereits rund 4.000 Menschen angeschlossen - das Verfahren wird noch bis zum 24. Juli laufen.
"Das Beispiel Wandlitzsee hat gezeigt, welche Folgen eine solche Privatisierung haben kann", sagt Carsten Preuß, Mitglied im Vorstand des BUND Brandenburg und parteiloser Fraktionsvorsitzender der Linken in der Stadtverordnetenversammlung Zossen, der die Petition organisiert hat. So müssten Stegbesitzer plötzlich hohe Pachtzahlungen an den Eigentümer zahlen. "Eine Gemeinde muss für eine Badestelle samt Rutsche sogar 50.000 Euro jährlich berappen", so Preuß. Kein Wunder, dass die Mellensee-Gemeinden das verhindern wollen. Von der Linken bis zur CDU sind alle gegen die Privatisierung.
Dass mit Seen spekuliert werden kann, ist ein Erbe der DDR. Ehemals volkseigene Gewässer, so sieht es der Einigungsvertrag vor, gehen in den Besitz des Bundes über. Der wiederum teilt die Gewässer dem sogenannten Verwaltungsvermögen der Kommunen oder des Landes zu - wenn es vorwiegend um eine touristische Nutzung geht. Überwiegt dagegen die Fischerei, geht der See an das Finanzvermögen des Bundes - und muss verkauft werden. "Das Problem ist nur, dass die Grenzen zwischen öffentlicher und wirtschaftlicher Nutzung nicht klar zu ziehen sind", ärgert sich Preuß.
Im Fall des Mellensees ist dazu noch ein Rechtsstreit anhängig. So hat die Bundesanstalt für Zentrale Dienste und offene Vermögensfragen im Juli 2008 entschieden, dass der Mellensee ins Verwaltungsvermögen des Landes geht. Doch die BVVG hat Widerspruch eingelegt. Wann die Gerichte entscheiden, ist offen.
Eines aber scheint klar zu sein: Der größte Teil der Privatisierung steht erst noch bevor. Bis zu 15.000 Hektar Gewässer will die BVVG in Ostdeutschland demnächst auf den Markt bringen. Am stärksten betroffen ist Brandenburg, mit 3.000 über einen Hektar großen Seen das gewässerreichste Bundesland.
Wenig Beruhigendes ist auch aus dem Munde des Brandenburger Umweltministers zu hören. "Noch nicht zugeordnet sind 301 Flurstücke mit 3.471 Hektar", antwortete Dietmar Woidke (SPD) auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Kornelia Wehlan. Im Klartext: 301 Seen im Land Brandenburg droht die Zuordnung zum Finanzvermögen und damit die Privatisierung.
Die Potsdamer Grünen-Abgeordnete Cornelia Behm hatte bereits im Mai in den Bundestag einen Antrag eingebracht, jene Seen von der Privatisierung auszunehmen, bei denen ökologische und touristische Belange überwiegen. Nachdem CDU, FDP und SPD aber ihre Ablehnung signalisiert haben, zogen die Grünen den Antrag zurück.
Auch unter den Umweltschutzverbänden wackelt die Antiprivatisierungsfront. Der Nabu etwa meint, die Privatisierungen müssten "akzeptiert und offensiv mitgestaltet werden". Aus diesem Grund hat der Nabu ein 100-Seen-Programm aufgelegt und mischt nun selbst beim Kauf mit.
23 Seen hat der Naturschutzverband oder die Nabu-Stiftung bereits erworben. "Gemeinsam mit den Nutzern wollen wir dafür sorgen, dass die Gewässer in einen ökologisch besseren Zustand gebracht werden", begründet der Geschäftsführer des Nabu Brandenburg, Wolfgang Mädlow, das Vorgehen auf Anfrage der taz. So habe man bei einem See bei Sandkrug im Landkreis Barnim zum Beispiel marode Stege entfernt. Einen Widerspruch zum Protest gegen den Verkauf am Mellensee will Mädlow nicht erkennen. "Wir kaufen nur, um das Schlimmste zu verhindern."
Die Petition an den Bundestag online mit unterschreiben:
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert