: Brady-Plan: Zeichen, aber kein Wunder
■ DIW: Schuldenstreichungsplan zwar Tabubrecher beim IWF, Ergebnis aber unsicher
Die Stärken des Abkommens Mexikos mit seinen Gläubigerbanken sieht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin) weniger in faktischen Schuldenerlassen als in der Brechung „einiger Tabus, die den bisherigen Umgang mit Verschuldungsproblemen maßgeblich bestimmt haben“ - und zwar vor allem beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Mexiko war das erste Land, mit dem ein Abkommen ausgehandelt wurde, wie es der US-Finanzminister Nicholas Brady vorgeschlagen hatte (Banken können wählen zwischen Schuldenreduzierung durch Umwandlung der Schuldscheine, dauerhafte Zinsbegrenzung oder - altes Strickmuster - neue Kreditvergabe).
Das Institut betont in seinem jüngsten Wochenbericht, daß es zu den „fundamentalen Prinzipien internationaler Kreditbeziehungen“ gehört habe, „daß zumindest Zinsen vertragsgemäß geleistet“ würden: „Dieses Prinzip wurde zwar faktisch immer häufiger durchbrochen; im Rahmen des Brady -PLans werden solche Ausnahmen jetzt zu einer regulären Option.“
Für den IWF und die Weltbank sei es früher „abwegig“ gewesen, Kredite zur Regelung von Auslandsschulden zu vergeben. „Nun werden sie ausdrücklich dazu autorisiert und gedrängt.“ (Der anvisierte Trick: Mit den Mitteln der Neukredite sollen alte Schuldpapiere auf dem freien Markt mit teils gewaltigen Preisabschlägen zurückgekauft werden. Mit einem Dollar Neukredit könnten so drei Dollar Altschulden getilgt werden, wenn die Schulden eines Landes beispielsweise zu 33 Prozent gehandelt würden.)
Für bedeutsam hält das DIW auch die Tatsache, daß der IWF die Aufgabe bzw. Nichtbeachtung von Klauseln empfiehlt, nach denen die Banken bei der Durchsetzung ihrer Forderungen unbedingt gleichbehandelt werden müssen. Dies erst erlaubt Schuldenreduzierungen auch dann, wenn sich einzelne Banken („free riders“) daran nicht beteiligen wollen. Es erlaubt auch den Schuldnerländern, einzelne Schulden zurückzukaufen, und nicht gleich alle.
Der programmatische Positionswechsel der USA und anderer Länder ist laut DIW „fast über Nacht gekommen“. Gleichwohl sei dies nicht überraschend, „wenn man die Realitäten in Betracht zieht“. So könne „keinem nüchternen Beobachter entgangen sein, daß die internationale Verschuldungsproblematik über Marktmechanismen allein immer weniger kontrollierbar, geschweige denn lösbar“ ist.
Der Brady-Plan mutet nach Einschätzung des DIW den Gläubigern „keineswegs größere Verluste zu, als der Markt ihnen bereits indiziert“, wenn etwa Schuldtitel zu stark reduzierten Preisen auf dem freien Markt verkauft werden. Nur sei dies in der Vergangenheit nicht als Forderungsverzicht bei den Schuldnerländern angekommen - für sie war es nur ein Gläubigerwechsel.
Als Hindernis für den Brady-Plan sehen die Schuldenforscher einmal, daß die Forderungen von Venezuela und Peru, die weit über das Mexiko-Abkommen hinausgingen, die Banken derzeit abschreckten. Im übrigen habe die US-Regierung im Falle Mexikos aus geopolitischen Gründen wirksamen Druck ausgeübt, das sei eher ein „Ausnahmefall“.
Außerdem stünde es den Banken nach der Vereinbarungn frei, anstelle eines Forderungsverzichtes auch neue Kredite zu vergeben. Da dies den strengen US-Bankengesetzen auch eher entspräche, werde es wohl in erster Linie darauf hinauslaufen - zumindest was die US-Banken angeht. Ein solches Ergebnis „entspräche“ dann aber eher den Zielvorstellungen jenes Baker-Planes, der 1985 einen Ausweg aus dem Verschuldungsstrudel dadurch verhieß, daß private Kredite mobilisiert werden sollten.
ulk
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