■ Kommentar: Brachlandschaft
Im Bildermachen für die neue Mitte ist Berlin Spitze. Legion sind die Entwürfe für neue Stadtschlösser, Ausstellungsburgen auf der Museumsinsel oder die mythischen Turmbauten rund um den Alexanderplatz. Auch die einstige Schinkelsche Bauakademie schwirrt in historischer Verkleidung seit Monaten über die Reißbretter. Dabei geht es nicht allein um Mummenschanz: Mit dem Bild vom „roten Kasten“ ließ sich zugleich das Auswärtige Amt der DDR problemlos wegfegen. Schinkels Meisterwerk gegen den ungeliebten Plattenbau sozialistischer Vergangenheit – wer holte da nicht gerne die Abrißbirne raus, um Raum für nostalgische Träume zu schaffen.
Doch zu mehr als zum Bildermachen scheint es in der Stadt nicht zu reichen. Der geplante Wiederaufbau der Bauakdemie mußte jetzt gestoppt werden, weil sich kein Investor für die Finanzierung des Bauwerks fand. Dabei liegen die Versäumnisse auf der Hand: Der Bund und der Senat haben es versäumt, sich über den Grundstückspreis zu verständigen. Und mehr noch: Klare Nutzungskonzepte statt wilder Phantasien hätten auf den Tisch gehört. Bibliothek oder Hotel, Architekturmuseum oder Café, Ateliers oder Wohnungen, Zentrum für innovatives Bauen oder Bürokiste – welcher Investor läuft da nicht händeringend davon und steckt sein Geld in weniger riskante Projekte. Da nutzt es wenig, wenn der Senat nun nach einem „Profi“ schreit, der die Sache in die Hand nehmen soll.
Einmal mehr entsteht für Jahre in der Stadtmitte eine weitere „begrünte“ Brache. Wie schön, wie unnötig. Auch auf dem früheren Gelände des Stadions der Weltjugend, das für die geplatzten Olympiaträume abgerissen wurde, hoppeln die Kaninchen über die Grasnarben. Und wenn dem Senat gemeinsam mit dem Bund nicht bald einfällt, was mit dem Palast der Republik zu tun ist, wird dort geradewegs Europas größte Platzanlage entstehen, so öde, so weit, so leer. Der Weg ist bekannt: Bilder, Abriß, kein Investor, Brache. Rolf Lautenschläger
Siehe auch Bericht Seite 23
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