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Boykottaufruf – die Zweite

■ betr.: „Aufruf zum Boykott der taz“, taz vom 15.8. 96

Daß Textverständnis keine „überprüfbare Leistung“ ist, ebensowenig wie „bewiesen“ werden kann, daß und ob es sich beim „Barbier von Bebra“ um eine Satire handelt, ist zugegebenermaßen eine theoretische Erkenntnis. Die bittere Konsequenz ist, daß in der medialen Öffentlichkeit quasi per Akklamation entschieden wird, was es sein soll. Vera Lengsfeld verbreitet ihr Verständnis und sucht dafür Mitstreiter. Ich begebe mich auf die Seite derjenigen, die den „Barbier“ als Satire und als Phänomen der Postmoderne (nicht zu verwechseln mit Poststrukturalismus) konstruieren. Ich gehe jetzt rum und erzähle das weiter. Vielleicht hilft's. Sonderbeobachter leben nie bequem, sonst wären sie keine, aber schade wäre es doch, wenn die taz ganz verschwände. Und wenn zusätzlich noch boykottiert würde, weil jemand für sich in Anspruch nimmt zu wissen, wie eine Sache wie „Der Barbier von Bebra verstanden wird „... daß sich Sprache und Denkungsart der Geistesstützen deutscher Diktaturen nicht geändert haben.“ Dabei wäre der Satz an sich nicht einmal zu bestreiten, da es möglich ist, daß Unterstützer deutscher Diktaturen noch gleich reden – aber die taz? Wiglaf Droste? „Geistesstützen deutscher ...?“ Auf die Art und Weise, wie hier mit den Autoren umgegangen wird, ließe sich ohne weiteres noch sehr erhellend bezug nehmen, was allerdings mehr über Frau Lengsfeld und Herrn Weiß aussagen würde als über die beiden Meister des offensichtlich schon zum Himmel schreienden Geschmacklosen, das sich überall finden läßt, und von ihnen in einen kleinen Barbier-Krimi gequetscht wird, bis er „kojotet“. Das hat bestimmt Spaß gemacht. Doch das als „literarische Anleitung zum Mord an Andersdenkenden“ zu verstehen und zu behaupten, das sei die Aussage des Textes (was hat er denn gesagt, der Text, ich hab' ihn gar nicht reden hören ...), ist nicht spaßig und weist bestenfalls auf ein überstimuliertes Warnsystem in puncto p.c. hin. Zusätzlich ist es noch dumm, denn ein literarischer Mord ist bekanntlich keiner; es wäre allenfalls die literarische Qualität der Satire, über die sich streiten ließe – Streiten, aber nicht befinden, ein Urteil fällen und zur Vollstreckung aufrufen.

(Beiseite: Falls Ihr jemanden für die andere Seite braucht, der beweist (harr-harr!), warum jeder vernünftige Mensch das als Satire lesen muß (!) ... ich könnt's ja später als Hausarbeit abgeben).

Zum Schluß noch etwas, das praktischer Natur ist: Ich werde euch abonnieren (euch? – Die taz natürlich.) [...] Jeanine Hildebrand, Marburg

Dazu hielt sich der DLF am Wochenende für nicht zu schade – und blies in seiner Boulevardsendung in das gleiche biederhafte Lengsfeldsche Jambenhorn! Mein Fazit: Wenn dich (taz) die Lästerzungen sticht, so laß dir dies zum Troste sagen: Die schlechtesten Früchte sind es nicht, woran die Wespen nagen! Georg Schäfer, Hamburg

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