Boykott in Frankreich: Bauern schütten die Milch weg
Französische Bauern liefern keine Milch mehr an Molkereien. Auch Belgier, Luxemburger, Österreicher und Deutsche versuchen, höhere Milchpreise zu erzwingen.
PARIS taz | Europaweit machen Milchbauern ihre Drohung mit einem Lieferstopp wahr: Nach den Kollegen in West- und Nordfrankreich traten auch Bauern in Deutschland, Belgien, Luxemburg und Österreich in Aktion. Sie fordern einen Milchpreis von 35 bis 40 Cent pro Liter.
Schweren Herzens hat sich der Bretone Pierre Louis Le Cras zu dem Schritt entschlossen. Statt seine Milch in die Zentrale zu bringen, hat er sie eigenhändig weggeschüttet. Dabei hat er nicht mal das Gefühl, viel zu verlieren. Seine Produktionskosten betragen 320 Euro pro tausend Liter, er bekommt gegenwärtig jedoch nur 270 Euro. Den Boykott betrachtet er als letztes Mittel, um einen angemessenen Preis durchzusetzen. Pierre Robert, Landwirt im Departement Tarn, verteilte zusammen mit Kollegen einen Teil der am Morgen gemolkenen frischen Milch in Toulouse vor dem Rathaus an Passanten, denen mit 25 Cent nur die Plastikflasche berechnet wurde. Den Rest seiner täglichen Produktion habe er in die Jauchegrube geleitet. "Wenn es um den Milchpreis geht, reden wir mit Deutschen oder Polen dieselbe Sprache", sagt er.
Der Streik weitete sich am Wochenende bereits auf Belgien und Luxemburg aus. In Bonn schütteten am Samstag deutsche Milchproduzenten 7.000 Liter vor dem Bundesagrarministerium aus. In Österreich beschloss die IG-Milch, der 4.000 der rund 40.000 Produzenten angehören, einen Milchlieferboykott. Gemeinsam wollen die im European Milk Board (EMB) organisierten Milchbauern den EU-Agrarministerrat dazu bringen, die Milchmengen auf dem Markt zu beschränken. Das hatten die EU-Minister vor einer Woche noch abgelehnt.
Noch fehlen in keinem Geschäft die Milchprodukte. Das aber könnte sich in Frankreich in einigen Tagen ändern. Zwischen 25 und 30 Prozent der Milchproduzenten im Westen und Norden, die frankreichweit fast 60 Prozent der Milch produzieren, beteiligen sich laut der Vereinigung der unabhängigen Milchbauern (APLI) am Lieferstopp. "Wir wollen so wenig wie möglich wegwerfen und möglichst viel verschenken oder auf dem Hof zu Käse oder Joghurt verarbeiten", versichert der APLI-Vorsitzender Pascal Massol. Er sagt: "Die Milch verlässt den Hof mittlerweile für 27 Cent pro Liter, im Geschäft aber zahlen die Verbraucher immer noch 1,50 Euro." Schuld an der Misere der Milchbauern sind für ihn auch übertriebene Gewinnmargen des Zwischenhandels. Jean-Michel Lemetayer ist Vorsitzender des größten Bauernverbands FNSEA. Er bezeichnet den Streik des Konkurrenzverbands APLI als unverantwortlich. Die französischen Bauern sind wie die deutschen zerstritten. Die FNSEA gilt als regierungsnah und verficht die Liberalisierung der Agrarmärkte. Die frei schwankenden Preise für Milch seien eine "Katastrophe", meint jetzt allerdings auch Lemetayer. Wie er in Brüssel einen Meinungsumschwung bewirken will, verrät er nicht.
Die streikenden Bauern hoffen, so viel Druck aufzubauen, dass sich die EU-Agrarminister ihrer Probleme annehmen. Diese trafen sich am Sonntag zum informellen Treffen im schwedischen Växjö. Sie diskutieren dort bis Dienstag, allerdings vor allem über den Klimawandel.
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