piwik no script img

Boxen ist sehr ästhetisch

■ Gesichter der Großstadt: Elke Thesenwitz ist die einzige Boxtrainerin im männlich dominierten Kampfsport / Bislang durften Frauen bei den Amateuren nicht in den Ring

Elke Thesenwitz von den Neuköllner Sportfreunden darf nunmehr das tun, was ihre männlichen Pendants schon seit Jahrzehnten dürfen: die Schützlinge trainieren, während der Kämpfe in der Ringecke stehen und die Einhaltung der Taktik überwachen, sich furchtbar aufregen und wenn's ganz schlecht läuft das Handtuch werden. Sie ist die erste Frau in Berlin-Brandenburg mit Amateurtrainer-Lizenz, kennt die Fragen und Bemerkungen schon im Schlaf. Die ganze Bandbreite gleichzeitig nervender wie blöder Reaktionen reicht von der Frage: „Ja, aber was ist denn bei Treffern auf die Brust?“ (Antwort: In der boxerischen Grundhaltung schützen die Unterarme den Busen und „in der Mitte, im Solarplexus, tut's 'nem Mann genauso weh!“) über die Vermutung, daß man als Frau in einem solchen Männersport bestimmt eigentlich doch bloß auf der Suche nach einem Kerl sei, bis hin zur völlig ernstgemeinten Frage eines afghanischen Ringrichters während der Box-WM: „Ach, dann bist du wohl lesbisch?“

Sport getrieben hat Elke Thesenwitz, Halbweltergewicht, schon immer, zunächst Leichtathletik, dann stieg sie um auf Bodybuilding. Das war ihr allerdings zu stupide.

Durch Freunde kam sie dann zu den Neuköllner Sportlern, die gerade eine eigene Damen-Box-Abteilung mit 15 Frauen zwischen 12 und 54 Jahren gründeten. Kurz darauf entschloß sich die 31jährige dann, die Amateurtrainer-Lizenz zu machen, denn „als Frau wird man doch lieber von einer Frau angeleitet, da hat man weniger Hemmungen“.

Fast vier Monate lang dauerte der Lehrgang. Trainingsaufbau, Ernährung, Stoffwechsel, Wettkampfvorbereitung, Theorie und Praxis standen auf dem Plan. Die anfängliche Skepsis der männlichen Teilnehmer konnte Elke schnell zerstreuen, durch harte Arbeit und besonderen Einsatz, denn „als Frau muß man sich eben immer ein bißchen mehr reinhängen“.

Seit bestandener Prüfung trainiert die gelernte Friseurmeisterin und Besitzerin eines eigenen Salons nicht nur die Damen, sondern auch männliche Anfänger. Die Jungs im Verein sehen das Geschlecht der Trainerin als zweitrangig an. Auf die Frage: „Wie ist es denn, von einer Frau trainiert zu werden?“, reagieren sie mit: „Wie soll's sein? Normal halt!“ und wundern sich allenfalls über die blöden Fragen.

Mit Gymnastik, Seilspringen, Laufen, Fußball und Partnerübungen sorgt Elke Thesenwitz dafür, daß die Kondition der Amateurboxerinnen stimmt. Bloß zwischen die Seile durften sie bislang nicht. Während sich ihre Profikolleginnen im Ring gegenüberstanden, war es den Amateurinnen vom Amateurverband schlicht verboten – bis jetzt. „Langsam aber sicher kommen sie dahinter, daß sie daran nichts mehr ändern können!“ freut sich Elke, aber für sie wie auch viele andere ältere Boxerinnen kommt die Freigabe zu spät für eine große Karriere. Zumal es eine Altersgrenze geben wird; bei den Männern liegt sie „bei 37 Jahren, ungefähr, bei uns wird sie wohl um die 34 liegen“.

Viele potentielle Gegnerinnen kommen vom Kickboxen und haben immerhin schon Erfahrungen im Ring machen können, andere haben nur vereinsinterne Sparringskämpfe mitgemacht. „Es wird am Anfang auch für die Ausrichter der Kämpfe sehr schwer sein, gleichwertige Gegnerinnen zu bekommen.“

Aber selbst wenn's mit der eigenen Karriere nicht klappt, wird Elke Thesenwitz ihrem eigenen Sport treu bleiben. Als aggressiv empfindet sie ihn nicht, viel eher als „sehr ästhetisch. Boxen ist kein blödes Draufhauen, sondern ein intelligenter Sport – bei den Profis beweist das doch Henry Maske immer wieder!“

Aber neigt man nicht viel eher dazu, Konflikte mit Gewalt zu lösen, wenn man im Besitz des nötigen Know-how ist? Auf keinen Fall, sagt sie, denn „wir wissen ja viel eher, was man mit gezielten Schlägen anrichten kann. Bei uns Boxern ist die Hemmschwelle, zuzuschlagen, eher viel größer“. Eine richtige Bedrohung hat sie noch nicht erlebt, für sie auch eine Frage des Trainings: „Die Körperhaltung wird ganz anders, man signalisiert Stärke, und die nimmt jedem potentiellen Täter die Lust, anzugreifen. Das typische Opfer wird auch aufgrund seiner Körpersprache ausgewählt!“ Elke Wittich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen