Botha-Häftlinge in Botschaft der BRD

In Südafrika suchen vier Ausnahmehäftlinge Schutz in der deutschen Botschaft / Aus Krankenhaus entkommen  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Vier schwarze politische Gefangene sind gestern aus der Ausnahmehaft in Südafrika entkommen und haben Zuflucht in der bundesdeutschen Botschaft in Pretoria, 60 Kilometer nördlich von Johannesburg, gesucht.

Die vier konnten aus dem Hillbrow-Krankenhaus in Johannesburg flüchten. Dort wurden sie stationär behandelt, nachdem sie zusammen mit mehr als 100 anderen Häftlingen, die infolge des Ausnahmerechts ohne Verfahren festgehalten werden, im Januar in den Hungerstreik getreten waren.

Das Auswärtige Amt in Bonn hat bestätigt, daß die vier sich seit gestern vormittag in der Botschaft aufhalten. Eine humanitäre Lösung werde angestrebt, hieß es dazu in Bonn.

Bisher ist noch nicht bekannt, wie die Gefangenen ihren Polizeiwachen im Krankenhaus entkommen und nach Pretoria fahren konnten. Bei den vieren handelt es sich um: Clive Radebe (28), Mitglied der Soweto-Jugendorganisation „Soyco“, der seit Mai 1987 im Gefängnis ist; Job Sithole (24) vom Alexandra-Jugendkongreß, der ebenfalls seit 1987 hinter Gittern ist; Mpho Lekgoro (24), Mitglied des Südafrikanischen Jugendkongresses „Sayco“ und seit April letzten Jahres inhaftiert; schließlich der seit Juli 88 festgehaltenen Ephraim Nkwe (29), Sayco-Beauftragter für Weiterbildung. Sowohl Sayco als auch Soyco sind 1988 infolge des Ausnahmerechts verboten worden.

Hunderte von Häftlingen hatten seit Januar die Nahrungsaufnahme verweigert, um ihre bedingungslose Freilassung zu erreichen. Der Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, hatte zwar nach Gesprächen mit Anwälten der Häftlinge zugesagt, daß er eine „beträchtliche“ Zahl freilassen wolle. Letzte Woche gab ein Sprecher Vloks an, daß mehr als 500 Häftlinge schon frei seien. Menschenrechtsgruppen konnten bisher jedoch weniger als 300 Freilassungen bestätigen. Etwa 400 Aktivisten sitzen nach wie vor ohne Anklage oder Verfahren hinter Gittern.

Zwei noch immer streikende Häftlinge befinden sich indessen in Lebensgefahr. Sandile Thusi (28) wurde diese Woche in der Hafenstadt Durban auf die Intensivstation verlegt. Thusi ißt seit 32 Tagen nicht mehr. Donsi Khumalo, ein Mitglied der Gewerkschaftsföderation „Cosatu“, verweigert in Pretoria auch die Aufnahme von Flüssigkeiten. Cosatu zufolge kann er seinen rechten Arm nicht mehr benutzen.

Die Flucht der vier in die deutsche Botschaft erinnert an drei führende Mitglieder des Oppositionsbündnisses Vereinigte Demokratische Front (UDF), die im September letzten Jahres aus der Haft in das Generalkonsulat der USA in Johannesburg flüchteten. Die drei UDF-Führer verließen sechs Wochen später das Konsulat, nachdem die Regierung zugesagt hatte, daß sie nicht wieder verhaftet werden würden. Der Vorfall hatte zu diplomatischen Spannungen zwischen der südafrikanischen Regierung und Washington geführt.