: Bonner Staatsvertrag-Knebel
■ Das Geheimpapier in der taz dokumentiert/DDR verliert ihre politische Eigenständigkeit
Der Staatsvertrag, den die Regierung der Bundesrepublik Deutschland in ihren Schubladen hütet und den Bürgern von BRD und DDR am liebsten gar nicht zeigen würde, ist die Vorwegnahme des Paragraphen 23 des Grundgesetzes. Die DDR soll sich darin verpflichten, auf dem Gebiet von Wirtschaft, Währung, Sozial- und Arbeitsgesetzgebung alle bislang geltenden Regelungen der BRD zu übernehmen. Der Vertrag erhebt den Anspruch, geltende Verfassung- und Gesetzeslage der DDR außer Kraft zu setzen.
In einer Geste der großen Unterwerfung sollen die soziale Marktwirtschaft mit allen geltenden Steuer-Zoll- und Wirtschaftsregeln in Kraft gesetzt, alle Grundsätze ihrer Politik mit der Regierung der Bundesrepublik abgestimmt werden. Die DDR wird das Abziehbild der BRD. Daß dies alles der geltenden Gesetzeslage, Teilen der Koalitionsvereinbarung der neuen Regierung und den Vorstellungen des Runden Tisches widerspricht, interessiert die Bonner Macher offenbar nicht. Beispiel: Die Sozialcharta. Darin wurde ein Recht auf Arbeit festgeschrieben. Nach dem Staatsvertrag soll das bundesdeutsche Arbeits- und Tarifrecht gelten. Die Möglichkeit der Aussperrung als Kampfmittel der Unternehmer gegen die Belegschaften der Betriebe wird festgeschrieben. Auch der in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebene Umtauschsatz von 1:1 kommt im Staatsvertrag nicht vor. Die Bundesbank soll bei der Währungsunion die Oberaufsicht führen und für jeden Bürger nur ein Umtauschkonto akzeptieren. Und wenn der Koalitionsvertrag zum Thema Abtreibung schweigt, will die Bundesregierung die Regierung der DDR im Staatsvertrag auf ihre familienpolitischen Vorstellungen einschwören. Gefordert werden besondere Maßnahmen zum Schutz des ungeborenen Lebens.
siehe Dokumentation auf Seite 9
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