KOMMENTAR: Bonner Frechheiten
■ Hauptstadtvertrag: Bund will Generalvollmacht
Das Interesse des Senats, beim Gezerre um den Hauptstadtumzug endlich zu klaren Vereinbarungen und vertraglichen Lösungen zu kommen, ist verständlich. Schließlich hofft die Landesregierung, darüber auch zu Finanzzusagen zu kommen. Was aber jetzt vorliegt, läßt für die noch nicht bekannt gewordenen Teile des Vertragswerkes Schlimmes befürchten. Bemerkenswert vor allem der unverfrorene Herr-im-Hause-Gestus der Bundesregierung, der sich in den letzten Monaten schon mehrfach angedeutet hat und sich nun im Schriftwerk in konzentrierter Form niederschlägt. Dem Berliner Senat, so hat man den Eindruck, wird dabei offenbar nicht viel an Widerstand zugetraut — jedenfalls weniger als selbst der lauschigen Kleinstadt Bonn. Die hat in ihrem »Hauptstadtvertrag« die von Berlin verlangte Generalvollmacht immer erfolgreich abgewehrt.
Die Unverschämtheiten Bonns sind eine Sache — das fehlende Selbstbewußtsein des Senats bringt das Faß zum Überlaufen. So bietet er von sich aus an, die Beteiligung der Bezirke an den Planungsprozessen aufzuheben. Damit aber wird die dezentrale und seit Jahrzehnten gewachsene Struktur der Stadt ausgehebelt, als seien die Belange der Bezirke nur lästige Kindereien. Dabei liegen die meisten Berliner Bezirke von der Bevölkerungszahl her in der Spitzengruppe der deutschen Großstädte und lassen auf jeden Fall Bonn hinter sich. Wenn schon der Senat die erprobte politische Verwaltungsteilung der Stadt so gering schätzt, darf man natürlich von der Bundesregierung nicht mehr erhoffen. Doch wenn die Bundesregierung einen generellen Vorrang für sich durchsetzt, dann darf der Senat abdanken. Selbst der Papst mit seinem Kirchenstaat in Rom kann dann von solcher Machtfülle nur träumen. Gerd Nowakowski
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