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■ Bonn apartMännerschicksale

Was für eine Woche. Welch Schicksale. In schneller Folge werden uns Versager, Verbandelte und Verlierer präsentiert. Die Republik ist bewegt. Mitleid zerreißt unser Zwerchfell. Häme bringt unsere Leber in Schwung. Ein Strudel starker Gefühle.

Schauen wir uns Bundestrainer Vogts an. Germania kaputt, Berti ein Trümmerhaufen. Ein Mann ist mit sich und der Welt allein. Niemand will bei der Party nach dem WM-Ausstieg ein Würstchen mit ihm Grillen. Selbst gute Freunde rücken von ihm ab. Nicht einmal Kumpel Kohl – „Er ist wie ich aus der groben Ecke“ (Vogts) –, der ihm noch kürzlich riet, die Medien zu ignorieren, nimmt den Geschlagenen vor der Meute in Schutz. Welch trauriges Ende. Oh, Männerschande.

Wir bedauern Berti, den Kleinen. Sollte es denn wahr sein, daß Glück proportional zur Körpergröße verteilt wird? Warum sonst strahlen Bill Clinton und Helmut Kohl beim Staatsbesuch so satt und zufrieden? Doch vielleicht läßt sich die Sattheit auch anders erklären. „Pill, du mußt diese gedünsteten Scampi auf Wildreis mit Plattspinat probieren“, flötet der Kanzler bei Tisch. „Wonderful, Helmuud,“ schwärmt der Präsident, „einzigartig, wie unsere Beziehung.“ Durch zartes Fleisch vollmundig verbandelt. Oh, Männerfreundschaft.

Wir und die Welt sind gerührt. Der Bonner Reporter der Bild auch. Von Kohls Kinderstube. Gott, was waren das für ungehobelte Zeiten mit sozialdemokratischen Kanzlern. Immer vorgedrängelt habe sich Helmut Schmidt bei Staatsempfängen, verrät uns Mainhardt Graf Sch...Hauß. Nie ließ er den Bundespräsidenten die erste Geige spielen. Immer mußte er sich gleich am Flughafen Knie an Knie mit den Gästen in die Panzerlimousine drücken. Kohl dagegen: Artiges Warten mit Frau Hannelore vor der Villa Hammerschmidt. Dieser Kanzler muß bleiben! Der nächste braucht vielleicht noch einmal zwölf Jahre, um das zu lernen.

Der Gedanke hat uns so erschreckt, daß wir beinahe versäumt hätten, einen letzten zu verschwenden. An Franz Schönhuber. Verlierer vergißt man gern. Besonders so unappetitliche. Da wollte Schönhuber eine Pressekonferenz in Bonn machen. Salbadern, warum die „Republikaner“ noch immer einen Chef brauchen, statt nach dem Niedergang bei der Europawahl endlich in dem Sumpf zu versinken, der sie hervorgebracht hat. Beinahe wäre dem Oberrechten die Vorführung auch gelungen. Nur gekommen ist niemand. Außer der taz. Die wird stracks zur Privataudienz in Schönhubers Büro abgeführt. Denn der Demagoge wirft lieber Perlen vor die Sau, als daß er ungehört auf seiner Schönhuberei sitzen bleibt. Jovial gibt er sich und nicht verlegen um einen flunderflachen Kommentar zum journalistischen Desinteresse: Mit Clinton, der zur selben Zeit ein Pressegespräch gibt, könne er wohl doch noch nicht konkurrieren. Welch ein Verlierer. Oh, Männerschmach.

Schicksal, meinten die alten Griechen, sei „Weltvernunft“. In diesem Fall neigen wir dazu, ihnen zu glauben. Bascha Mika

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