■ Bonn apart: Kleider machen Leute
Über Joschkas neue Kleider und Antjes frische Frisur durften Bonner Parlamentsjournalisten schon zu Beginn dieser Legislaturperiode staunen und schreiben: Vorbei die Zeiten Anno 83/84, in denen der spätere Star-Grüne Fischer das Hohe Haus mit Turnschuhen und mit T-Shirts vom Grabbeltisch schockte.
Auch die heutig Vizepräsidentin des Bundestags, Antje Vollmer, ist raus aus den Gartenzwergstiefelchen und trägt zur exakt geschnittenen Bob- Frisur inzwischen Jacketts aus schwerem Tuch.
Eher unbeachtet von der Fernsehöffentlichkeit scheint sich aber auch im außerparlamentarischen Grünen modisch einiges zu tun. Zur Klima-Pressekonferenz des „Bundes für Umwelt und Naturschutz“ (BUND) erschien kürzlich die Riege der Offiziellen, vom Geschäftsführer Poppinga bis zur Pressesprecherin Krause, geschlossen im Business-Outfit: Ein Seidenchiffon-Schal am Hals der einen, Krawatte um den des anderen – ob es wohl daran lag, daß die Pressefrau sich über einen ungewöhnlich guten Besuch der Bonner Journalisten freuen durfte?
Daß Kleider Leute machen, stimmt ja seit achtundsechzig nicht mehr ganz. Fast dreißig Jahre später ist die Krawatte- zur-Jeans-Kombination selbst in Industrievorständen nicht mehr immer und zu allen Anlässen geächtet.
Aber Kleider machen noch immer Politik. Wer in der Kleiderrevolution nur das äußere Zeichen für die Anpassung der Grünen an die Verhältnisse sieht, könnte sich täuschen. Susanne Düwel, Pressesprecherin der Grünen im Bundestag und eher eine Liebhaberin von René-Lezard-Kostümen und Valentino-Pumps als von Birkenstock-Sandaletten, erinnert sich an die Verwirrung, in die ihr Outfit einen konservativen Bonner Journalisten während eines Pressegesprächs mit Joschka Fischer stürzte: „Wenn man Sie sieht, würde man doch nie denken, daß Sie bei den Grünen sind.“ Na so was: Die Schmuddelkinder haben plötzlich saubere Fingernägel und sind richtige Menschen geworden. Mit denen kann man ja reden.
Wer Lust am Tabubruch hat, darf halt heute nicht mehr mit Jesuslatschen in die Staatsoper. Lieber im Kammgarn-Zweireiher zur Demo gehen. Und daß die Bündnisgrünen nicht ganz und gar auf Wallstreet-Chic umsteigen, dafür ist schließlich gesorgt.
Die atompolitische Sprecherin Ursula Schönberger machte kürzlich noch einmal auf die gute alte Art Skandal: Sie trug im Bundestag ein T-Shirt mit Anti-Atom-Aufschrift. So durfte sie nicht ans Rednerpult. Auffallend allerdings die Begründung: Das Hohe Haus duldet halt keine politische Bandenwerbung. Über T-Shirts pur regt sich dort schon lange keiner mehr auf. Andrea Dernbach
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