■ Bonn apart: Die elf Reform- Persönlichkeiten
Alles war perfekt inszeniert. Die Pressesprecherin des Bundesjustizministers hatte die JournalistInnen nicht nur schriftlich, sondern zusätzlich telefonisch zur Pressekonferenz eingeladen und begrüßte jeden einzelnen im 11. Stock des Justizministeriums mit Handschlag. Auf den Tischen standen vielerlei Getränke bereit. Essen war auch angekündigt – Nürnberger Bratwürstchen mit Kraut und Kartoffelsalat. Und zu allem Überfluß versprach das Thema des mittäglichen Beisammenseins recht interessant zu werden. Es ging um Reformen beim Kruzifix- und Soldaten-sind-Mörder-geschädigten Bundesverfassungsgericht. Dennoch war der Pressesprecherin wohl nicht ganz geheuer. Die vor ihr liegenden, für die Presse bestimmten Unterlagen wollte sie zunächst nicht herausrücken. „Sonst gehen einige von Ihnen so früh.“
Dann ergriff der Hauptredner das Wort: Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig. Leise, bedächtig, zurückhaltend, so angenehm uneitel. Nur, was wollte er sagen? Da war von einer Kommission die Rede, die eingesetzt werden sollte, um Reformvorschläge zu machen. Und von den elf Persönlichkeiten, die darin eine Rolle spielen sollten. Und ganz ausführlich von ihrem Lebenslauf. Die Nürnberger Würstchen waren inzwischen aufgetischt worden. Dann konnte gefragt werden. Die rücksichtsloseste Frage gleich zu Anfang: „Herr Justizminister, welche Reformen würden sie begrüßen?“ Edzard Schmidt-Jortzig schien irritiert über den Wissensdurst. Standen etwa nicht genügend Getränke auf dem Tisch? Dazu wolle er nichts sagen, beschied er den Fragesteller, er wolle schließlich nicht vorgreifen. Die Kommission sei unabhängig. Sehr lobenswert. Dennoch drängte sich eine Frage auf, wühlte sich aus dem Bauch heraus durch Sauerkraut, Kartoffelsalat und Nürnberg Würstchen hinauf in den Gaumen: „Was um Himmels willen, machen wir hier, wenn wir nichts erfahren sollen?“ Die Frage wurde nie gestellt. Die JournalistInnen gingen ohne Antworten nach Hause. Aber satt. Markus Franz
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