■ Bonn apart: Der beste Tony
Eigentlich hat die SPD die Bundestagswahl bereits so gut wie gewonnen. Schließlich hat es New Labour in Großbritannien auch geschafft. Und wo ist schon der Unterschied? Statt nur einen Tony Blair haben die Sozialdemokraten sogar drei: Henning Voscherau, Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine. Wie Noelle-Neumann fragen wir uns nur noch: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der beste Tony Blair in der Sozi-Band?
Der Hanseat Voscherau hat einen Standortvorteil. Wasserumspült von Elbe und Alster, Nord- und Ostsee sind auch nicht weit, kommt der Hamburger der Inselmentalität des Briten am nächsten. Für Gerhard Schröder spricht, daß Blair ein gläubiger Katholik ist, der regelmäßig in die Kirche geht. Oder hat etwa schon jemand Schröder gesehen, wie er nicht in die Kirche gegangen wäre? Oskar Lafontaine ist am ehesten zuzutrauen, daß er, wie Blair, niemals Bettlern etwas gibt. Erstens gibt's im Saarland keine. Zweitens hat er als Saarländer nichts zu verschenken.
Die Sozialdemokraten haben sich also zu Recht gefreut über den Wahlsieg von Tony. Fast war es so, als wenn sie selbst gewonnen hätten, und vielleicht haben sie deswegen zunächst dem Anrufer aus England geglaubt, der in der Nacht des Wahlsieges Lafontaine und Co. zu einer Siegesparty eingeladen hat.
Zum Glück ist die SPD jetzt gewarnt. Nicht auszudenken, wenn ihr ein Spaßvogel weismachen würde, daß die Bundestagswahl 1998 einen Monat später stattfindet. Sie hätte dann zum Wahltag vermutlich noch keinen Kanzlerkandidaten und kein Programm. Statt zur Urne zu gehen, würde sie auf den Wahlsieg in einem Monat anstoßen. Macht aber nix. Sie hätte dann vier weitere Jahre Zeit, um auf einen neuen Tony Blair zu warten. Wie wäre es mit Rudolf Scharping? Markus Franz
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