■ Bonn apart: Uniform für Süssmuth
Schon Schuster Voigt hat bei der Besetzung des Rathauses von Köpenick erfahren: ohne Uniform ist der Mensch ein Nichts. Aber mit kann er notfalls die Welt erobern. Auch die deutschen Polizisten erfahren in diesen Tagen, was ihre Uniform wert ist. Sie dürfen damit umsonst die freien Sitzplätze in den Zügen besetzen.
Die Bundesbahn hatte eine Idee: Um die Sicherheit im Bahnverkehr zu erhöhen, können in mehreren Bundesländern Polizisten in Uniform ab sofort kostenlos Nahverkehrszüge, D-Züge und Interregio- Verbindungen der Bundesbahn benutzen. Unter anderem in Hamburg, Bayern, Rheinland- Pfalz, Sachsen und NRW. Und nur in Uniform wohlgemerkt. Damit die Verbrecher auch wirklich abgeschreckt werden. Traurig ist das schon. Ohne Uniform gilt der Mensch Polizist wenig. Mit darf er wenigstens umsonst Nahverkehr fahren.
Dennoch sollte diese Regelung Schule machen. Sie könnte zum Beispiel auf Bundeswehrsoldaten ausgedehnt werden, die schließlich nichts dafür können, daß Volker Rühe Verteidigungsminister ist. Sind deswegen ja nicht gleich alle Nazis. Und spätestens wenn die Defizite in der politischen Schulbildung ausgeräumt sind, werden wir sie wieder alle ganz schrecklich liebhaben.
Bundestagsabgeordnete dürfen ja schon umsonst Bahn fahren. Auch das sollte künftig nur noch in Bundestagsuniform möglich sein. Oder würde sich etwa jemand vor dem Privatmenschen Hermann Otto Solms genieren, einer alten Dame in die Handtasche zu greifen, oder vor Graf Lambsdorff, einen Steuerbetrug auszuhecken, oder vor Manfred Kanther, Ausländer anzumachen, oder vor Rita Süssmuth, schwarzzufahren?
Vor Frauen und Männern in Uniform, die sie als Repräsentanten des deutschen Volkes ausweisen, wäre das möglicherweise anders. Vielleicht würde manchem Arbeitgeber angesichts eines leibhaftigen Abgeordneten sogar die Anregung kommen, die Löhne anzuheben, um die Kaufkraft anzukurbeln und damit die Wirtschaft zu stärken. Schließlich gehen die Abgeordneten mit der Erhöhung ihrer Diäten um 525 Mark im April des nächsten Jahres mit gutem Beispiel voran.
Fragt sich nur, wie wir gewisse Politiker in die Bahn bekommen, wo doch Fliegen so viel schöner ist. Die Hubschrauberstaffel der Bundeswehr könnte beispielsweise einen Bahnhofdienst anbieten. Auf der Bahnfahrt zwischendurch könnten die Abgeordneten Gutes tun. Markus Franz
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