Wochen-Post: Bonn-Berlin, eine Verheißung
■ Doch, es gibt ein Leben ohne Zigeunerbarone
„Geben Sie mir eine Million Mark und ein Grand Hotel, und ich richte es zugrunde“, sagt der junge Steuerberater mit dem Faible für große Hotels und gute Küche und lacht. Niemand wird der Anregung folgen, ist eben Pech, wenn man nicht Kollo oder Schwenkow heißt und seine Verrücktheiten nicht Berliner Kulturpolitikern vorträgt. Denn vergleichbare Wünsche erfüllt die CDU gern: Gebt mir ein Staatstheater fast gratis oder ein Operettenhaus in bester Lage und 35 Millionen, und ich richte es zugrunde.
Seltsam, daß trotzdem diese Angst vor „den Bonnern“ auch bei denen auftaucht, die ein halbes Leben unter den Berliner Zigeunerbaronen gelitten haben. Daß der Bund eine Hauptstadt- Kultur-GmbH etablieren könnte und damit eine Handvoll Einrichtungen dem Zugriff Berliner Dilettanten entzöge, mobilisiert nicht Freude, sondern Furcht vor noch Schlimmeren.
Da trifft es sich äußerst dumm, daß dieses Umzugstheater wieder losgeht und die Bonner damit das alte Berliner „Keiner liebt uns, keiner versteht uns“-Syndrom wieder wecken. Zu dumm auch, daß sich trotz vieler Nasenstüber die Berliner im schlechten Status quo offenbar noch zu wohl fühlen, um zu hoffen, etwas Besseres fänden sie allemal.
Daß jemand wie Jörg Schönbohm die Hochjubelei einer gräßlichen Law-and-order-Fraktion einerseits und die Hochschätzung der SPD andererseits so gutgelaunt, zielstrebig und bei aller Differenz, die man zu seinen Ansichten hegen kann, zivil und kompetent verträgt, muß doch auffallen. Ähnlich Annette Fugmann-Heesing, die es durchweg mit Leuten zu tun hat, die gar nicht wollen, daß Berlin aus eigener Kraft zu wirtschaften lernt, und die als Heilsbringerin vergöttert und als Sparhexe dämonisiert wird.
Soll man behaupten, die beiden schnitten eine so achtbare Figur, weil sie nicht aus Berlin sind? Ach was! Diese Herkunftsqualitätsbestimmung hat sich in Berlin, wo man durch das Tal der Ost- West-Beschuldigungen gegangen ist und feststellt, daß dort nichts wächst, gründlich erledigt. Dennoch, da ist was. Weder die Hauptstadt der DDR noch Berlin West beförderte die Herausbildung großartiger Politiker. Und doch haben sich manche hier dazu entwickelt. Was man etwa aus Sachsen vom Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer (letzter Wissenschaftsminister der DDR, Humboldtianer) hört, ist immer so viel vernünftiger als der Rest des Hochschulgebrumms.
Und aus einem schäbigen Büro in der Potsdamer Straße hört man von der Ausländerbeauftragten Barbara John Töne, die aufschrecken: Die Arbeitslosigkeit sei zum großen Teil hausgemacht. Sie argumentiert aus der Kenntnis ihres Amtes. Unser Arbeitsmarkt ist gut für Stelleninhaber und sonst niemanden. Auch in Randlagen der Politik bohrt man dicke Bretter. Manche können es so gut, daß sie dabei auch noch das Licht sehen. Mechthild Küpper
wird fortgesetzt
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