"Bombspotter" in Belgien: Ausflug ins US-Atomwaffenlager
Belgische Aktivisten halten sich eine Stunde unbemerkt auf einer Luftwaffenbasis auf, drehen darüber ein Video und laden es bei Youtube hoch. Eine Blamage für die Nato.
![](https://taz.de/picture/322093/14/kleinebrogel.jpg)
Sechs belgischen "Bombspottern" ist es gelungen, unbemerkt ins Allerheiligste der belgischen Luftwaffe vorzudringen: den Luftwaffenstützpunkt Kleine Brogel. Dort lagern noch immer bis zu 20 atomare Bomben des Typs B-61. Im Frieden werden sie von einer Spezialeinheit der US-Luftwaffe (701. MUNSS) kontrolliert, und im Ernstfall sollen sie als Teil der nuklearen Abschreckung der Nato von belgischen Jagdbombern des Typs F-16 eingesetzt werden.
Die Friedensaktivisten filmten ihre Aktion und stellten sie auf auf Youtube ins Internet. Eine Blamage für die belgische Luftwaffe und die Nato, die immer wieder beteuert haben, die Atomwaffenlager in Europa seien absolut sicher. Die gewaltfreien Aktivisten der Organisation Vredesactie überwanden zunächst den äußeren Sicherheitszaun am südlichen Rand des Fliegerhorstes, wanderten dann durch ein kleines Wäldchen nach Norden, bis sie die Landbahn erreicht hatten. In der Erwartung, dort - wie eine Vorgängergruppe im November 2009 - festgenommen zu werden, schlenderten sie eine Weile durch den Schnee, bis sie einen offenen Durchgang durch weitere Sicherheitszäune nördlich der Landebahn entdeckten.
Sie schlüpften hindurch und stießen auf die Rückseite eines Flugzeugschutzbaus. In den Boden von elf solcher Schutzbauten sind in Kleine Brogel sogenannte Atomwaffengrüfte eingebaut. Den Schutzbau verzierten die sechs in aller Ruhe mit einem Klebeband, das ihren Protest gegen die atomaren Waffen ausdrückte. Dann gingen sie über eine betonierte Freifläche weiter nach Norden. Dort entdeckte sie ein belgischer Soldat. Kurz drauf wurden sie festgesetzt. Die Videokamera wurde ihnen abgenommen, der Datenspeicher mit den Filmaufnahmen blieb jedoch unentdeckt. Etwa eine Stunde hatten die sechs unbeachtet auf dem Atomwaffenstützpunkt zugebracht.
Das belgische Verteidigungsministerium bemühte sich, den Zwischenfall herunterzuspielen: "Ich kann Ihnen versichern, dass diese Leute niemals irgendwie in die Nähe sensibler Einrichtungen gelangt sind", teilte Ingrid Baeck, die Sprecherin der Zeitung für die US-Streitkräfte in Europa, Stars and Stripes, am Freitag mit. "Die reden Unsinn." Der betreffende Flugzeugschutzbau sei ungenutzt gewesen.
Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Der belgische Kommandeur von Kleine Brogel gab offen zu: "Unser Fliegerhorst hat 450 Hektar. Ein Drittel ist bewaldet." Dort könne er sich drei Tage unentdeckt aufhalten. Personalmangel zwinge dazu, sich auf die Bewachung der wichtigsten Einrichtungen zu konzentrieren.
Bereits im Februar 2008 hatte eine interne Untersuchung der US-Luftwaffe Sicherheitsmängel bei den US-Atomwaffenlagern in Europa aufgedeckt. Hans Kristensen, ein leitender Mitarbeiter der Vereinigung amerikanischer Wissenschaftler, machte sie öffentlich. Von löchrigen Zäunen, schlechter Beleuchtung, sanierungsbedürftigen Gebäuden und unzureichend ausgebildeten Wachsoldaten war die Rede. Schon damals hatten sich europäische Regierungen bemüht, die Nuklearwaffenlager als bestens gesichert und die Kritik als ungerechtfertigt darzustellen.
Selbst wenn das belgische Verteidigungsministerium zu Recht mitgeteilt haben sollte, dass die Flugzeugschutzbauten, die die Bombspotter bei ihrem Besuch erreichten, nicht mehr genutzt werden, hätte man den Friedensaktivisten einen guten Tipp gegeben: Beim nächsten Besuch müssen sie auf der Landebahn nach links abbiegen, um zu den aktiven Schutzbauten zu gelangen, nicht nach rechts.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
+++ Nachrichten zur Ukraine +++
Gespräche bei der Sicherheitskonferenz