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Bombensicher im Unrecht?

■ Altenwerder: Ausgerechnet da, wo mit der Hafenerweiterung begonnen werden soll, baggert jetzt der Kampfmittelräumdienst Von Heike Haarhoff

Bombensicher und im Recht fühlt sich das Amt für Strom- und Hafenbau: Trotz Baustopps in Altenwerder pflügen die Bagger des Kampfmittelräumdienstes den Talraum der Alten Süderelbe auf der Suche nach Blindgängern seit Mittwoch zielstrebig und großräumig um. Nahe der Autobahn, wo bereits im Dezember bei Nacht und Nebel 150 Bäume abgeholzt wurden, verschwinden wildwuchernde Pflanzen und der Sinn für Gerechtigkeit unter dicken Erdschollen.

Die Bauarbeiten verstoßen, so Altenwerder-Anwalt Martin Hack, gegen den gerichtlich verhängten vorläufigen Baustopp. Beim Verwaltungsgericht beantragte Hack gestern ihre sofortige Stillegung. Das Gericht werde „zügig“ prüfen, ob die Räumungsarbeiten tatsächlich als „vorbereitende Maßnahmen zur Hafenerweiterung“ dazu dienten, den Planfeststellungsbeschluß umzusetzen, versicherte Sprecher Joachim Pradel. Dann wäre der Rechtsbruch eindeutig. Bis Redaktionsschluß lag keine Entscheidung vor.

„Die Suche nach Blindgängern und Bomben aus dem Krieg war lange geplant und hat mit der Hafenerweiterung überhaupt nichts zu tun“, widerspricht Strom- und Hafenbau-Sprecherin Beate Schlüter. Es gebe „erheblichen Verdacht, daß in dem Bereich Bomben und anderer Ballast von den Alliierten abgeworfen wurden“. „Diese Gefahr“ müsse schleunigst gebannt werden. Gesichtet wurden die Bomben bereits „vor ein bis zwei Jahren“. Weshalb damals nicht unverzüglich gehandelt wurde, bleibt offen. Auch daß der Räumdienst ausgerechnet dort baggert, wo die Hafenerweiterung begonnen werden soll, reduziert Schlüter auf reinen Zufall: „Es wurden auch andere Flächen in Altenwerder gereinigt.“ Herbert Nix vom Förderkreis Rettet die Elbe, der Altenwerder wie seine Westentasche kennt, kann sich „nicht erinnern, dort seit Jahren jemandem begegnet zu sein“.

Die Aussagen der Bauarbeiter vor Ort sprechen überdies für sich: „Wir untersuchen den Boden, weil es hier demnächst los geht“, sagt einer. Auf 170 Meter Länge und 60 Zentimeter tief werde der Boden ausgehoben. Wiederbepflanzung sei „unnötig, weil sowieso gebaut wird“. Unter fadenscheinigem Vorwand unwiderrufliche Fakten zu schaffen, hält GAL-Wirtschaftsreferent Detlev Grube für eine „ganz typische Taktik, umstrittene Bauvorhaben durchzusetzen“.

„Wir möchten nicht, daß irgendjemand, der da herläuft, zu Schaden kommt“, tut Hafenbau-Sprecherin Schlüter so, als würden ständig Massen über die Brachen von Altenwerder lustwandeln. Dabei besteht auf der verlassenen Elbinsel wahrlich kein akuter Sicherheits-Bedarf: Jährlich verschleudert das Amt für Strom- und Hafenbau 400.000 Mark für einen privaten Wachdienst, der rund um die Uhr und zu ihrem „Schutz“ Erholungssuchende aus Altenwerder zu vertreiben sucht.

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