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Bohrschlamm auf Schleswig-Holsteins Böden.Öl auf dem Acker

In 100 Gemeinden in Schleswig-Holstein lagert Bohrschlamm – wie gefährlich die Altlasten sind, ist unbekannt.

Sieht lecker aus, die grüne Wiese für die Kühe: In Etzel aber ist der Boden verseucht. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

KIEL taz |Er lagert an zahlreichen Orten: im beschaulichen Idstedt unweit von Schleswig, in der Landeshauptstadt Kiel oder in Wacken, wo jüngst noch Zehntausende Metal-Fans ihre jährliche Acker-Party feierten – an insgesamt 100 Orten in Schleswig-Holstein ist Bohrschlamm aus ehemaligen Ölförderstätten deponiert. Vier dieser Standorte befinden sich in Wasserschutzgebieten oder Bereichen, in denen Trinkwasser gewonnen wird. An einigen Orten wird Landwirtschaft betrieben. Allerdings: Eine Aussage darüber, ob von den Stoffen eine Gefahr für Natur und Mensch ausgeht, ist „pauschal nicht möglich“, heißt es in der Antwort des Umwelt- und Energieministeriums auf eine Anfrage der Piraten-Partei.

Dass Bohrschlämme an zahlreichen Orten in Norddeutschland lagern, ist seit Jahren bekannt. Schließlich wird seit über eineinhalb Jahrhunderten in der norddeutschen Tiefebene nach Öl gesucht (siehe Kasten). Erst seit wenigen Jahrzehnten wird der mit Mineralölen und Chemikalien durchsetzte Schlamm als giftiger Abfall behandelt und entsorgt. „Früher wurde das Zeug auch kurzerhand vor Helgoland verklappt“, so Claudia Bielfeldt, Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND. Oder der Schlamm wurde eben auf Felder geschüttet.

Das vom Grünen Robert Habeck geführte Ministerium verweist nun darauf, dass das Land nicht mehr zuständig sei: Mitte 2014 wurde die letzte Schlammgrube in Schleswig-Holstein aus der Aufsicht des Bergbauamts entlassen. Alles Weitere sei Sache der Kreise und deren unterer Naturschutzbehörden.

Bielfeldt kritisiert, dass sich das Land damit die Sache zu einfach mache: „Das Umweltministerium ist die Fachaufsicht für die Naturschutzbehörden. Gäbe es den politischen Willen, sich der Sache anzunehmen, fände sich auch ein Weg.“ Aber offenbar scheine nach der Maxime verfahren zu werden: „Aus den Augen, aus dem Sinn.“

Öliges Schleswig-Holstein

Erste Erdölfunde gab es in Schleswig-Holstein in den 1850er-Jahren. Etwa ab 1900 gingen die Bohrungen weiter in die Tiefe, entsprechend mehr Schlamm fiel an.

Viele Gruben wurden nur wenige Jahre betrieben, die längste Nutzungsdauer für eine einzelne Ölquelle erstreckt sich von 1930 bis 1982, also 52 Jahre.

Im Wattenmeer befindet sich die Bohrinsel Mittelplate. Von dort aus wird das laut Betreiber DEA „mit Abstand förderstärkste Ölfeld in Deutschland“ ausgebeutet. Seit 1987 wurden aus den ölführenden Schichten unter der Nordsee über 30 Millionen Tonnen Öl gefördert. Weitere 20 bis 25 Millionen Tonnen gelten als noch gewinnbar.

Derzeit gibt es noch vier „Bergbauberechtigungen“ für die Landflächen von Schleswig-Holstein. Das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber 2014, als noch an 14 Orten gebohrt werden durfte.

Noch unklar ist, wie es in Angeln im Nordosten Schleswig-Holsteins weitergeht, wo sich eine von mehreren Privatleuten getragene Firma um die Bohrrechte bewirbt. Gegen die Pläne gibt es Widerstand aus der Bevölkerung.

Eine aktuelle Brisanz bekam das Thema jüngst durch den Fund giftiger Abfälle im Landkreis Wittmund in Niedersachsen: Hier werden die Lager-Stätten landwirtschaftlich genutzt, unter anderem weiden Kühe auf schlammbelasteten Wiesen. Ob der Schlamm gesundheitsgefährlich ist oder das Trinkwasser belastet, ist nicht bekannt – eben das macht Patrick Breyer (Piraten) „sprachlos“. Er fordert, landwirtschaftlich genutzte Flächen vorsorglich stillzulegen, solange Gefahren durch giftigen Bohrschlamm nicht auszuschließen seien.

Der Agrarexperte der CDU-Landtagsfraktion, Heiner Rickers, hatte bereits im April eine Anfrage zum Giftschlamm auf dem Acker gestellt. Er bringt ins Spiel, den verunreinigten Boden abzutragen und zu deponieren. Das Ministerium sieht allerdings Probleme, die Mengen unterzubringen: „In einigen Landesteilen werden die Kapazitäten knapp.“

In den vergangenen zehn Jahren hat es landesweit nur wenigen Sanierungsmaßnahmen an alten Schlammgruben gegeben, allerdings wird in Einzelfällen geprüft und auch das Trinkwasser regelmäßig untersucht. Müsste entsorgt werden, lägen die Kosten bei den Betreibern der Bohrungen – falls es die Firmen nach so langer Zeit noch gibt. Ansonsten wäre die Allgemeinheit gefordert.

Im Zuge der Debatte wird nun auch lokal verstärkt nachgefragt, an welchen Stellen Altlasten lagern. Etwa im Kreis Dithmarschen, wo es fünf Standorte gibt. Die untere Naturschutzbehörde sieht für die Orte Delve und Fedderingen einen „Altlastenverdacht“ – der Bohrschlamm lagert auf den früher gemeindlichen Müllkippen. Darüber seien die Gemeinden bereits 2003 unterrichtet worden, erklärte ein Kreissprecher. Die heutigen Bürgermeisterinnen beider Orte allerdings sagten auf Anfrage der Dithmarscher Nachrichten, ihnen sei davon nichts bekannt. Immerhin: Im Grundwasser sind nach neuen Messungen keine Anzeichen auf giftige Rückstände zu finden.

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2 Kommentare

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  • Was ist bloß bei den Grünen los? Habeck ist auch so ein Ekelpaket...

  • Was eine Wirrnis.

     

    Als nicht in diesem Land ehemals als Richter für solches zuständig:

    Niemand darf solcherart kontaminierte Schlämme - bei Bohrschlämmen keine Frage -

    Einfach irgendwo lagern.

    Solches muß zudem schon bei den Bohrgenehmigungen mitgeregelt sein.

    Deponierung ist das Mittel der Wahl - der Auftrag auf landwirtschaftlichen Flächen - wie bei Klärschlamm unverantwortlicher Weise außerhalb der regulären Verfahren im Wege der Mediation in Niedersachsen geschehen - verbietet sich bei Bohrschlämmen aufgrund der angewandten Verfahren ganz offensichtlich schon deswegen & von selbst.

     

    Richtig auch - Herr Harbeck und sein Ministerium sind qua Fachaufsicht keineswegs aus dem Schneider. Im Gegenteil - auf die Einhaltung von Recht&Gesetz und die erteilten Genehmigungen zu dringen - ist sein Job!

    Daß die Behörden dabei nicht immer der ursprünglichen Betreiber/Störer und ihrer Rechtsnachfolger habhaft werden können - ist erst recht kein Argument gegen die Pflicht - Schaden von der Allgemeinheit abzuwenden.