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Bohren im gesetzlichen Spielraum

■ Der Bremer Petitionsauschuß im Kampf gegen Behördenwillkür für die BürgerInnen

Frau

ChristineBernbacher F:T.V. „Schildern Sie kurz, wo Sie der Schuh drückt“ — so freundlich aufgefordert haben seit Beginn der Wahlperiode vor eineinhalb Jahren über 200 Menschen schriftlich und noch viel mehr mündlich dem Petitionsauschuß ihr Leid geklagt: ihr Leid mit Behörden wie Finanzamt, Krankenhaus oder Baubehörde.

Der Petitionsausschuß der Bremischen Bürgerschaft soll behördliches Handeln kontrollieren. Dabei geht es nicht nur um nicht genehmigte Gartenhäuschen, sondern auch um Beförderungs-Streit im Öffentlichen Dienst und verweigerte Aufenthaltsgenehmigungen.

Die BürgerInnen sitzen am kürzeren Hebel, lautet das Credo von Christine Bernbacher, die für die Grünen im Petitionsausschuß sitzt. „Wir haben die Aufgabe, die Behörden dazu zu bringen, den gesetzlichen Ermessensspielraum auszuschöpfen“. In fast 40 Prozent der Fälle kann der Ausschuß den BittstellerInnen helfen, die restlichen Gesuche betreffen meist Privatrechtliches, zum Beispiel Mietsachen. „Da können wir nichts machen.“ Viel Arbeit für die zwölf Mitglieder, die sich juristisch schlau machen müssen, mit PetentInnen und BehördenvertreterInnen persönlich sprechen und auch „vor Ort“ gehen, zum Beispiel in den Knast.

Der Job ist bei den meisten Abgeordneten nicht besonders beliebt. „Man kann auch für die politsche Karriere wenig tun, weil man nicht mit Reden glänzen kann, es ist ja alles vertraulich“, sagt Christine Bernbacher. Vorteil: Der persönliche Ehrgeiz spiele im Ausschuß keine Rolle, man habe ein ausgesprochen kollegiales Verhältnis, über die Parteigrenzen hinweg entscheide man fast immer einmütig. Eher stille Menschen, die sich aber engagieren wollen, so beschreibt Bernbacher die Petitions-Crew. Viel Arbeit, aber befriedigend. „Man kann doch viel bewirken — ein Lichtblick im ganzen politischen Leben“.

Die Autorität des Ausschusses allerdings scheint in letzter Zeit allerdings etwas geschrumpft: Eigentlich sind die SenatorInnen und ihre Staatsräte die Ansprechpartner für den Ausschuß. Nur die Spitze einer Behörde kann auf dem kürzesten Weg eine individuelle Lösung veranlassen. Doch immer häufiger wurden untere BehördenvertreterInnen geschickt. Der Ausschuß hat dem Senat nun den Marsch geblasen. Zwar kann er keine Entscheidungen erzwingen, keine Gerichtsurteile aufheben und keine Gesetze erlassen. Doch „Empfehlungen“ des Petitionsauschusses übergeht der Senat nur höchst selten.

Zwist allerdings hat der Petitionsausschuß mit dem Landesverband der Gartenfreunde Bremen e.V. Immer wieder wenden sich einzelne Gartenfreunde an den Ausschuß. Ewig zog sich zum Beispiel der Fall eines Kleingärtners hin, der wegen seiner herzkranken Frau ein Telefon im Gartenhäuschen bewilligt bekommen wollte.

Bis in die 70er Jahre überwogen die Petitionen von Strafgefangenen, heute wenden sich Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen und mit den unterschiedlichsten Anliegen an den Petitionsausschuß. Ein Großteil der Streitfälle hat mit Bauen und Verkehr zu tun. Rund die Hälfte der Anträge allerdings wird für unbegründet oder nicht abhilfefähig erklärt. In Mietsachen oder Scheidungsangelegenheiten zum Beispiel kann der Ausschuß nicht helfen.

„Wir werden sicher immer wichtiger“, sagt Bernbacher, die jetzt schon häufig mit abgelehnten Fortbildungsanträgen zu tun hat, „der Wind wird uns in Zukunft noch viel stärker ins Gesicht blasen“. cis

Kontakt: Tel: 3607252

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