■ Urdrüs wahre Kolumne: Böse alte Schachtel
Was für Zeiten, was für Sitten! Die im Schütting tagende Männergruppe „Club zu Bremen“ nimmt jetzt auch Frauen auf! Mit 130 Weicheierstimmen wurde dieser Beschluss gegen 30 Gentlemänner alter Pfeffersackschule gefasst, und wenn demnächst in irgendeinem Darkroom die harten Kerle dieser Stadt plötzlich manikürte Damenhände am Skrotum spüren, dann sollen sie sich in ihrer Irritation dieses Wendepunkts im bremischen Geschlechterkampf entsinnen. Die Schuldfrage ist geklärt, doch die Verantwortung bleibt anonym ...
Mehr Hardware an die Schulen bringen will Willi Lemke in Tateinheit mit Kraft Foods und das unter dem schönen Namen „Computerinitiative Coole Schule“. Bin ich eigentlich der einzige, der diese Bezeichnung auch zu Beginn der Großen Ferien fast so lächerlich findet wie „Kappenzwang“ oder „Börsengang“?
Die Zerstörung des Schaukastens der Horner SPD eignet sich nicht nur zur „Gruke des Tages“ in der taz, sondern auch als vorzügliche Gelegenheit, für müde gewordene Guerilleros aller Schattierungen, die sich endlich mal wieder bequem vom häuslichen Schreibtisch aus mit einer flammenden Kommandoerklärung trittbrettfahrendin Erinnerung bringen. Noch lasse ich den Damen von der „Roten Zora“ oder den Jungs vom Handar-beitskreis „Betroffenheit und Wut“ den Vortritt: Sollte bis zur kommenden Woche kein Bekennerschreiben eintrudeln, werde ich wohl selbst für die Basisgruppe „Spacepark No or Never“ bzw. für das „Kommando Heini Holtenbeen“ zu Schere, Alleskleber und alten Zeitungen greifen müssen. Es lebe der zappatistische-dadaistische Widerstand der Unbeugsamen Volksmüslis!
Teilhaben durften die Leser des Weserkuriers am vergangenen Wochenende an einer als „Tafelrunde“ ausgewiesenen PR-Veranstaltung des Verlags mit Vertretern der örtlichen Wirtschaft „bei schwerem Rot- und leichtem Weißwein“ durch einen Beitrag unter dem verquasten Schwiemelmotto „Auge in Auge mit den Zeitungsfritzen“. Der Schokoladenonkel und Ex-Fohlenweidenbesetzer Hasso „Hachez“ Nauck wertete das Ereignis als „vertrauensbildende Maßnahme“, und Bremen-Banker Michael Bothe resümierte „Wir haben eine lokale Presse in Bremen, und das sollten wir als Unternehmen nutzen“. Ob man die Funktion der sogenannten vierten Macht besser auf den Punkt bringen kann?
Rüstungskonversion ist in Bremen künftig kein Thema mehr. Das war zwar auch bislang nicht gerade ein Hit, doch wurde das Programm laut Wirtschaftsressort inzwischen „erfolgreich abgeschlossen“. Was für eine nette Einladung an Waffenhändler, Kindertotmach-Minenproduzenten und andere anschlagrelevante Kreaturen, sich in hiesigen Gewerbegebieten niederzulassen. Herzen so hart wie Kruppstahl und so zäh wie Leder, made in Bremen.
Im Stadtbus nestelt eine ältere Dame in ihrer Geldbörse und schon kullern ein paar Münzen heraus. Noch ehe ich mich im Zwiespalt zwischen Pfadfindertum und Rückenschmerzen einschlägig bemühe, kraucht ein vielleicht zehnjähriger Knabe unter die Bänke, sammelt Groschen und Silberzeug ein und überreicht es der Lady im ziemlich feinen Witwenzwirn. „Das muß aber mehr sein, hast wohl schon ein Fünfmarkstück eingesteckt“, wird dem Lütten nunmehr statt eines Dankes entgegengehalten und der kann vor Beschämung und Empörung kaum etwas erwidern. Auch mir verschlägt diese Fiesität die Sprache, was natürlich nur gut war, denn spontan wären mir männlich sozialisiertem Rohrspatz nur herabwürdigende Bezeichnungen für das weibliche Geschlechtsorgan als Beschimpfung eingefallen.
An der Haltestelle steigen der Viertklässler und ich ebenso wie die böse alte Schachtel gleichzeitig, wenn auch nicht gemeinsam, aus. Der Junge vergisst draußen nach dieser Demütigung, dass Männer nicht weinen und heult Rotz und Wasser. Die unwürdige Greisin tippelt in stolzer Siegerhaltung davon und ich bedaure, dass weit und breit keine Bananenschale vor ihren zierlichen Füßen liegt, die nunmehr täte, was zu tun wäre. Eigenes Nichthandeln in dieser Situation bedauert aufrichtig
Ulrich „Hexenschuss“
Reineking.
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