Börsengang der GSW: Wohnungen sind Ladenhüter
Der für Freitag geplante Börsengang der Wohnungsgesellschaft GSW ist abgesagt - es fehlt an Käufern. Zuvor war das Parlament zur Zustimmung gedrängt worden.
Die größte Wohnungsbaugesellschaft Berlins wird am Freitag doch nicht an die Börse gehen. "Nach der Bewertung der aktuellen Bedingungen an den Kapitalmärkten haben der Vorstand der GSW und die abgebenden Aktionäre entschieden, den Börsengang zu verschieben", teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Die knapp 50.000 Wohnungen bleiben also vorerst in der Hand des Finanzinvestors Cerberus und der Investmentbank Goldman Sachs.
Vor sechs Jahren hatte die rot-rote Koalition die bis dahin landeseigene GSW verkauft. Dabei wurde festgelegt, dass es einen schnellen Börsengang nur mit der Zustimmung des Landes geben darf. Diese Zustimmung hatte das Abgeordnetenhaus vor zwei Wochen mit den Stimmen von SPD, Linkspartei und FDP gegeben, die Finanzinvestoren hatten dafür 30 Millionen Euro in den Landeshaushalt gezahlt.
Die GSW schob die Verantwortung für eine Absage ihrer Pläne auf die Finanzkrise: "Es besteht bei potenziellen Investoren derzeit ein große Unsicherheit über die Zinsentwicklung in Europa, und diese ist für Immobilienwerte sehr relevant", sagte ein Unternehmenssprecher. Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr aus Finanzkreisen, die Nachfrage nach den Aktien habe nicht einmal die Hälfte des Umfangs erreicht, der üblicherweise für einen Börsengang nötig ist.
Die GSW-Gebäude mit ihren rund 3,1 Millionen Quadratmetern Wohnfläche werden nun weiter in der Hand von Cerberus und Goldman Sachs bleiben. Der von der SPD aufgestellte Finanzsenator Ulrich Nußbaum hatte vor zwei Wochen im Parlament von "Finanzhaien" gesprochen und über ihr bisheriges Wirken bei der GSW gesagt: "Diese Leute haben den Bestand von ungefähr 70.000 auf unter 50.000 Wohnungen vermindert. Diese Leute haben durch eine Änderung des Bilanzierungsverfahrens den Buchwert der Wohnungen erhöht, was zu rechnerischen Gewinnen auf dem Papier führte, die sie sich dann in echtem Geld auszahlen ließen." Es handele sich um genau das gleiche Verhalten, das auch zur Finanzmarktkrise geführt habe, so Nußbaum. Die Eigentümer hätten sich außerdem "bis 2009 ungefähr 447 Millionen Euro an Gewinnen ausschütten lassen, die das Eigenkapital belasten". Man könne "froh sein, wenn sie die GSW verlassen und weiterziehen".
Wie lange Nußbaum nun doch noch mit den bisherigen Eigentümern vorliebnehmen muss, ist unklar: Ein neuer Termin für den Börsengang steht noch nicht fest. "Wir werden das Börsenumfeld erst mal genau beobachten", sagte ein GSW-Sprecher.
Der Immobilienfinanzierer Berlin Hyp geht davon aus, dass sich die Immobilienmärkte nur langsam wieder erholen werden. Dabei sei allerdings "eine stabile und nachhaltige Tendenz aus Sicht der Bank bisher nicht gesichert", teilte sie am Mittwoch mit. Eine nachhaltige Trendwende sei nicht vor dem Jahr 2011 zu erwarten.
Die 30 Millionen Euro für das Land für die Zustimmung zum Börsengang sind trotzdem schon jetzt fällig, bestätigte ein Sprecher von Nußbaum: "Wir gehen davon aus, dass die Summe am Montag eingeht." Schließlich sei das Geld für die Zustimmung des Landes zum Börsengang vereinbart worden - und das Land hatte ja grünes Licht gegeben. Die Verschiebung des Börsengangs sei dagegen die Entscheidung der GSW-Eigentümer.
Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz kritisiert das Hin und Her der beiden Finanzinvestoren: "Zuerst wird das Abgeordnetenhaus massiv unter zeitlichen Druck gesetzt, und jetzt blasen die Eigentümer kurzfristig den Börsengang ab. Das ist ein Ding aus dem Tollhaus und zeigt erneut, dass man mit Heuschrecken besser keine Geschäfte machen sollte."
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