Bodenschatz-Fund in Afghanistan: Rohstoffberge aus 1001 Nacht

Pentagon-Experten haben in Afghanistan gigantische Mineralvorkommen gefunden, die das bergige Land reich machen können. Doch die Funde können auch kontraproduktiv sein.

Fluch oder Segen? Das bergige Land ist reich an Bodenschätzen. Bild: dpa

"Es ist die beste Nachricht, die wir seit Jahren in Afghanistan gehört haben." Mit diesen Worten reagierte Wahid Omar, Sprecher des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, auf einen Bericht des US-Verteidigungsministeriums vom Montag. Experten des Pentagons und des Geologischen Dienstes der USA haben in Afghanistan gigantische unterirdische Rohstoffvorkommen (wie Eisen, Kupfer, Kobalt, Gold und Lithium) gefunden.

Die über das ganze Land und damit auch Taliban-Gebiete verteilten Bodenschätze werden vom Pentagon auf mindestens 908 Milliarden Dollar geschätzt. "Es gibt Hinweise, dass selbst die Zahl von einer Billion das wahre Potenzial unterschätzt", sagte Pentagonsprecher David Lapan am Montag in Washington.

Allein die Vorkommen des für Handy- und Laptopakkus nötigen Alkalimetalls Lithium sollen so groß sein wie in Bolivien, wo es die bisher weltgrößten gibt. Laut New York Times heißt es in einem Pentagonbericht, Afghanistan könnte das "Saudi Arabien des Lithiums" werden. "Das wird das Leben und den wirtschaftlichen Status der Afghanen drastisch verbessern", frohlockt Karsais Sprecher Omar. Die Bodenschätze würden das Volk einen.

Beobachter befürchten das Gegenteil. Sie verweisen darauf, dass es für den Abbau zunächst großer Investitionen bedürfe, die politische Stabilität und eine gute Infrastruktur voraussetzen. Auch brauche man einen funktionierenden Staat, etwa um Umweltrisiken zu minimieren. Zwar gibt es Staaten wie Norwegen, Australien oder Saudi Arabien, die von ihren Bodenschätzen enorm profitieren, aber auch die Demokratische Republik Kongo oder Nigeria, wo der Reichtum im Boden innenpolitische Konflikte fördert. Bodenschätze können korrupten Politiker noch mehr Macht geben, "von der Möglichkeit, Wahlen zu fälschen, bis zur Aufstellung von Milizen", sagt Mike Davis von der Organisation Global Witness in London.

Schon die sowjetischen Besatzer hatten in den 80er Jahren Afghanistans Rohstoffpotenzial untersucht. Diese von afghanischen Geologen während der Herrschaft der Mudschaheddin und der anschließenden Taliban-Zeit versteckten Studien wurden ab 2005 von US-Experten ausgewertet. Sie suchten Wege, wie das heute von ausländischer Hilfe und dem Drogenexport lebende Land wirtschaftlich selbstständig werden kann. Die alten Rohstoffstudien wurden um neue Untersuchungen ergänzt, die vor allem aus Luftaufnahmen mit Spezialkameras bestanden. Kabul hatte schon 2007 einen ersten Vertrag über die Kupfermine Ajnak in der südlich der Hauptstadt gelegenen Provinz Logar mit einem chinesischen Staatskonzern geschlossen. Der Deal von 2,9 Milliarden Dollar ist nicht nur die größte Investition in der afghanischen Geschichte, sondern steht auch im Geruch von Schmiergeldern in zweistelliger Millionenhöhe an den damaligen Bergbauminister. Der stritt das zwar ab, verlor aber seinen Posten.

Die Verkündung der jetzigen Funde durch das Pentagon, die nach einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht klingt, kann auch Wasser auf die Mühlen bewaffneter Regierungsgegner sein. Denn die behaupten längst, ausländische Militärs seien nur im Land, damit sich westliche Konzerne dessen Ressourcen bemächtigen können. Wie der Krieg im Irak als Krieg um Öl gesehen wurde, könnte der in Afghanistan künftig als einer um Lithium gesehen werden, eine für den westlichen Lebensstil wichtige Ressource.

Laut Pentagonsprecher Lapan gehört die Entdeckung der Vorkommen ohnehin zur Aufstandsbekämpfungsstrategie von General Stanley McChristal. "Die ganze wirtschaftliche Seite bekommt bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit", so Lapan. "Es gibt ein verblüffendes Potenzial hier", sagte auch US-General David Petraeus laut US-Medien zu den Funden.

Auch auf die US-Innenpolitik könnte sich die Botschaft der Funde auswirken. Denn damit wäre die US-Militärintervention nicht mehr eine Operation in einem gescheiterten Armutsstaat, sondern lässt sich als ökonomisch lohnendes Unternehmen in einem potenziell reichen Land darstellen, das später gar einen Teil der Kriegskosten tragen könnte.

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