Boateng für Russland-Spiel nominiert: Ein perfekter Sommer
Erst spielte er im Juni eine überragende U21-EM, dann stürmte er mit dem HSV an die Tabellenspitze und nun die Nominierung für das Spiel gegen Russland: Für Jérôme Boateng läuft es einfach.
HAMBURG dpa | Seine Bescheidenheit hat sich für Jérôme Boateng ausgezahlt. Beschwingt von dem 4:2-Sieg in der Europa League gegen Hapoel Tel Aviv erreichte den 21 Jahre alten Abwehrspieler am Freitag beim Training die Nachricht von der Nominierung für die deutschen WM-Qualifikationsspiele in Russland und gegen Finnland. "Ich bin froh, dass ich in der Nationalelf dabei bin", sagte er und will probieren, einen guten Eindruck zu hinterlassen. "Natürlich hoffe ich auch auf einen Einsatz."
HSV-Trainer Bruno Labbadia nahm die Neuigkeit als Bestätigung seiner Einschätzung des wertwollen Teamspielers auf: "Jérôme hat sich die Nominierung durch seine guten Leistungen im Verein auf den verschiedenen Positionen verdient." Für Boateng lief seit dem Sommer alles perfekt: Erst wurde er U-21-Europameister, dann verabschiedete sich Coach Martin Jol, der ihn wenig schätzte, aus der Hansestadt. Boateng weinte dem Niederländer keine Träne nach.
Jol schob den talentierten Manndecker von einer Position zur nächsten, viel Lob bekam Boateng nicht. Große Wertschätzung erfuhr er dann beim Turnier in Schweden, wo er als herausragender Innenverteidiger glänzte, großen Anteil am Titelgewinn hatte und DFB- Coach Horst Hrubesch zu öffentlicher Kritik an Jol wegen der ständigen Positionswechsel von Boateng veranlasste. Der Profi selbst hielt sich zurück, doch als er im Griechenland-Urlaub erfuhr, dass Jol überraschend zu Ajax Amsterdam weitergezogen war, reagierte er erleichtert: "Martin Jol hat mir kein Vertrauen entgegengebracht, ich habe sogar über einen Wechsel nachgedacht".
Etwas Besseres als Bruno Labbadia, der den Nachwuchs-Assen deutlich mehr vertraut als sein Vorgänger, hätte Boateng gar nicht passieren können. "Er macht einen tollen Job und setzt auf mich", erzählt der Deutsche mit den Wurzeln in Afrika. Ghana als Heimatland seines Vaters ließ er sich auf den Arm tätowieren, der afrikanische Name Agyenim prangt auf dem Unterarm. Mit Trainingsfleiß hat sich Boateng auch nach der anstrengenden U-21 EM schnell neben Joris Mathijsen im HSV-Abwehrzentrum festgespielt. Und wenn Labbadia ihn für die Außenpositionen der Abwehrkette braucht, hilft der 1,90 Meter-Schlacks ohne Murren aus.
Boateng ist der sechste U-21-Europameister, der den Sprung in die A-Auswahl schafft. "Jérôme hat in dieser Saison auf verschiedenen Positionen beim HSV eine gute Leistung geboten, ob als Innen- und Außenverteidiger oder im defensiven Mittelfeld. Deshalb ist es die logische Konsequenz, dass er nun bei der Nationalmannschaft den nächsten Schritt machen soll. Zu seinen Qualitäten gehört, dass er in der Defensive vielseitig einsetzbar ist und spielerisches Potenzial besitzt", sagte Löw.
Der Bremer Mittelfeldspieler Frings wurde hingegen erneut nicht berücksichtigt. Wie angekündigt rückt dessen Vereinskollege Tim Wiese für den erkrankten Schlussmann Robert Enke in den Kader. In Russland soll aber der Leverkusener René Adler im Tor stehen. Im Vergleich zu den vergangenen Partien gegen Südafrika (2:0) und Aserbaidschan (4:0) verzichtete Löw auf weitere personelle Veränderungen.
Mit einem Sieg auf dem Moskauer Kunstrasenplatz im Luschniki-Stadion kann die DFB-Auswahl vorzeitig als Gruppensieger die direkte Qualifikation für die WM in Südafrika perfekt machen. Bei einem Unentschieden müsste der Vergleich gegen Finnland gewonnen werden. Rutscht Deutschland noch auf den zweiten Rang der Gruppe 4 hinter Russland ab, müssen für das Südafrika-Ticket Relegationsspiele am 14. und 18. November gegen einen anderen Gruppenzweiten bestritten werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Desaströse Lage in der Ukraine
Kyjiws Wunschzettel bleibt im dritten Kriegswinter unerfüllt
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt