Blutsauger auf dem Golfplatz

■ Rumänien will Dracula zur Touristen-Attraktion machen – doch die Gegner zeigen dem Grafen die Zähne. Auch Bremer können sich gegen das Disneyland der Untoten wehren

Dunkle Wolken haben sich über dem rumänischen Sighisoara (Deutsch: Schäßburg) zusammengezogen. Ein finsterer Schatten huscht durch die verwinkelten mittelalterlichen Gassen. Zu seinen Lebzeiten hat sich Vlad Tepes, das historische Vorbild für Bram Stokers berühmten Film-Blutsauger Dracula hier nicht blicken lassen, nur sein Vater war eine Zeit lang Gast der Stadt – als Exilant. Nun aber geistert der untote Adlige rastlos durch die dunkle Siebenbürger Nacht. Eine wahre Vampirplage steht ins Haus, denn die rumänische Regierung plant in unmittelbarer Nachbarschaft die Errichtung eines Dracula-Vergnügungsparks. Eine Horrorburg und ein Dracula-Golfplatz sollen entstehen, ein Institut für Vampirologie dem Treiben der ewig durstigen Kreaturen auf den Grund gehen.

Einer jedoch tritt dem schauerlichen Treiben energisch entgegen: der 29-jährige Pfarrer Bruno Fröhlich, ein Siebenbürger Sachse. „In Schäßburg sind über 90 Prozent der Einwohner Christen. Es ist ein Skandal, dass gerade hier dem Teufel ein Tempel gebaut wird“, erklärt er mit einem rollenden „r“, das jeden Vampirfan entzücken würde.

Natürlich glaubt auch Fröhlich nicht an einen bocksbeinigen Satan. Die „spirituelle Verschmutzung“, die der bissige Graf über das Land bringen könnte, sieht er jedoch als reale Bedrohung: „Dass man sich über Dinge wie Blut und Tod lustig macht, ist nicht tolerierbar“. Andere Vampirjäger stehen bereits Pfahl bei Fuß. Ärzte, Lehrer und Ingenieure haben sich um Fröhlich geschart und engagieren sich nun in Rumänien in einer Bürgerinitiative.

Auch Bremer sollen sich künftig den Eckzähnen des Blutsäufers entgegenstellen. Im Vorfeld des Weltgebetstags der Frauen am 1. März, dessen diesjähriges Thema die Frauen in Rumänien sind, weilte Fröhlich als Gast der Kampagne „Hilfe für Osteuropa“ in der Hansestadt und wirbt um Unterstützung. Unterschrif-ten können in abgegeben werden, die Kirchenkol-lekte soll in das Projekt gegen das Disneyland der Untoten fließen.

Für Fröhlich ist offensichtlich, „dass einige Dinge nicht stimmen“. Das ist im Kampf gegen das Übernatürliche kaum verwunderlich.

Einige Probleme allerdings sind eher diesseitiger Natur. Seit zwei Jahren zählt Schäßburg zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die Widerständler fürchten nun eine Blütezeit des schlechten Geschmacks. Vampirnepp statt rumänischem Mittelalter. Auch Umweltschützer knirschen mit den Zähnen, denn der Park soll auf einem 130 Hektar großen Hochplateau entstehen, das mit seinen uralten Eichen ein schützenswertes Ökosystem bildet.

Bürgermeister Dorin Danesan beteuert zwar, es solle penibel auf Ordnung und Reinlichkeit geachtet werden, der Verdacht, dass Hobby-Vampirologen auf der Pirsch der Natur schaden könnten, bleibt für Fröhlich jedoch bestehen. Schließlich besteht noch ein logistisches Problem. Die Infrastruktur des Landstrichs ist in einem gräuslichen Zustand. Schäßburg hat eine Autobahnanbindung noch einen Flughafen. „Sollen etwa die Gäste mit Fallschirmen abgeworfen werden?“ fragt Bruno Fröhlich provokant.

Unter Event-Gesichtspunkten keine schlechte Idee, wären nur genügend Schlafplätze in Schäßburg vorhanden, um die Million Gäste aufzunehmen, die sich die Vampir-Vermarkter erhoffen.

Derzeit schätzt Fröhlich die Zahl der verfügbaren Nachtlager auf rund 150, Särge nicht mitgerechnet.

Ob sich die Vampirjäger durchsetzen werden, scheint zumindest fraglich. An höchster Stelle nämlich wird offen mit den Kindern der Nacht paktiert. Rumäniens Tourismusminister Dan Mathei Agathon ließ verlauten: „Wir wollen dem Grafen Arbeit geben“ und machte sich auch gleich selbst auf Promo-Tour. Den eigens mitgeführten Sarg musste Agathon allerdings an der deutschen Grenze stehen lassen. Grund: kein Toter, keine Sterbeurkunde.

Noch bleibt abzuwarten, ob der 20 Millionen US-Dollar teure Park seine knarzenden Pforten im kommenden Jahr tatsächlich öffnet. Bruno Fröhlich jedenfalls will seinen Feldzug gegen den Vampirismus auf jeden Fall fortsetzen. Im Grunde aber kommt er zu spät. Auf Schloss Schenkendorf nämlich, im Landkreis Dahme-Spreewald südlich von Berlin, feiert ein Adoptivsohn der Familie Dracula bereits seit Jahren ungestört Blutspender-Parties. Christoph Kutzer