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Blutiger Abgesang

■ Eine vierteilige Typologie der Gegner der krassen Musik-Performer Gwar

Gwar sind schmutzig. Sie spritzen mit Kunstblut, Kunstsperma und Kunsteiter, bis Ordnung und Disziplin in jeder Hinsicht baden gegangen sind. Sie sind ordinär. Sie stecken Geistlichen Kreuze in den Hintern, schneiden alle Arten von Geschlechtsteilen ab, fluchen gern und onanieren öffentlich. Und sie sind laut. Ihr während der Performance gespielter metallischer Hardcore, der entgegen weitverbreiteter Meinung keineswegs schlecht ist, hält über neunzig Minuten ein konstantes Lärm- und Schnelligkeitsniveau der oberen Biohazard-Kategorie.

Kurz gesagt: Gwar sind prima. Die Menschen, die Gwar ablehnen, lassen sich – grob – in vier Klassen unterteilen:

1. unverbesserliche, kulturfremde Konservative, die von nichts eine Ahnung haben, aber trotzdem der Meinung sind, hier etwas zu entdecken, das schlecht ist, Recht, Ordnung und Moral zersetzt und demzufolge Jugendliche gefährdet.

2. deren sozialdemokratische Variante, die sich im Gegensatz zu oben Genannten die Show, oder Teile davon zumindest ansieht, um dann umso fester zu behaupten, das hier Gewaltverherrlichung und die verbotenen „-ismen“ nicht etwa kritisiert, sondern gefeiert würden.

3. die große „muß-ja-nicht-sein“-Fraktion, eine etwas abgeschwächte Version der oberen Spezies, die sich zwar für tolerant und weltoffen hält, eine solche Form von kultureller und politischer Äußerung jedoch weder nachvollziehen kann noch will. Natürlich ist diesen Personen auch die Musik zu hart, wie sie überhaupt eine lebenslange Berieselung mit schmerzlosem Brei irgendwelchen möglicherweise unangenehmen Erfahrungen vorziehen.

4. alle Gwar-Fans der ersten Stunde, die zu den ersten, teilweise verbotenen Konzerten pilgerten, sich voller Glück im Blut wälzten und monatelang von keinem anderen Erlebnis mehr sprachen, dann auf der mit Freude erwarteten Folgetour ernüchtert feststellen mußten, daß die Show ihrer Helden immer noch die gleiche war, und deshalb mittlerweile bei der puren Nennung des Namens schon einschlafen.

Allen, die sich keiner der genannten Gruppen zuordnen wollen, sei hiermit der Auftritt des Musiker/Künstler-Kollektivs aus San Francisco herzlich empfohlen. Es gibt keine feinsinnigen sozialen Botschaften. Es ist auch kein revolutionäres Showkonzept. Es ist nur ein kompromißloser Abgesang des täglichen Politspektakels, das sich schon selbst genug karikiert. Daher heißt es bei Gwar seit jeher: Kopf ab.

Uschi Steiner

Do, 1. Februar, 21 Uhr, Markthalle

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