Blutbad in Madagaskar: Soldaten schießen auf Demonstranten
Der Machtkampf in Madagaskar eskaliert. Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer auf Demonstranten und töteten mindestens 25 Menschen.
ANTANANARIVO dpa Auf der Tropeninsel Madagaskar haben Soldaten nach einer Kundgebung der Opposition in der Hauptstadt Antananarivo ein Blutbad angerichtet. Nach einer Kundgebung des selbst ernannten Präsidenten Andry Rajoelina schossen sie am Samstag ohne Vorwarnung aus automatischen Waffen auf tausende Demonstranten und töteten laut Medienberichten mehrere Dutzend von ihnen. In ersten Berichten war von bis zu 40 Toten und 300 Schwerverletzten die Rede. Unter den Toten ist ein madegassischer Journalist; Medien-Berichte, wonach auch ein ausländischer Berichterstatter getötet wurde, konnten zunächst nicht bestätigt werden. Offizielle Angaben zu den Opferzahlen gab es zunächst nicht. Am Sonntag herrschte gespannte Ruhe.
Allein das größte staatliche Krankenhaus der Stadt zählte bis zum Sonntagmorgen jedoch 25 Leichen und 173 Verletzte. Viele Opfer wurden auch in andere Hospitäler gebracht. Die Behörden hatten zu Blutspenden aufgerufen und Ärzte sowie Medizinstudenten in die überfüllten Krankenhäuser beordert. In den Straßen spielten sich verzweifelte Szenen ab, als Menschen unter den Opfern nach vermissten Angehörigen suchten. Die Schüsse in der Umgebung des Stadtpalastes - eines Büros von Präsident Marc Ravalomanana - hatten bis zum Einbruch der Dunkelheit angehalten. Das Rote Kreuz baute am Palast ein Zelt für die Erstversorgung der Opfer auf.
Bei der Kundgebung hatte Rajoelina vor 25.000 Anhängern seiner Demokratiebewegung eine Gegenregierung zu der von Amtsinhaber Ravalomanana präsentiert, dem er Machtmissbrauch vorwirft. Danach waren etwa 10 000 Menschen protestierend zum Palast gezogen, wo sich ihnen Soldaten einer Spezialeinheit in den Weg stellten. Nach ersten friedlichen Verhandlungen stürmten einige Demonstranten vorwärts, die Soldaten eröffneten daraufhin das Feuer.
Bereits nach der ersten Salve aus automatischen Waffen lagen nach Augenzeugenberichten mindestens 20 Menschen leblos am Boden. Nach einer zweiten Salve brach Panik aus. Unter den Opfern sollen auch Kinder gewesen sein. Im Fernsehen gaben sich später die Kontrahenten gegenseitig die Schuld. Während Ravalomanana den Opfern sein Beileid ausdrückte und Rajoelina vorwarf, seine Anhänger ins Verderben geführt zu haben, hielt ihm Rajoelina Versagen vor. Nur Diktatoren ließen Soldaten ohne Vorwarnung auf unbewaffnete Menschen schießen. Der für die Sicherheit zuständige Minister kündigte am Sonntag Haftbefehle gegen die Verantwortlichen für den umstritten Marsch an.
Der Platz vor dem Palast war am Sonntag vom Militär abgesperrt, für den Nachmittag war in einem Stadion eine Trauerfeiern angesetzt. Die neue Eskalation der zweiwöchigen Unruhe findet vor dem Hintergrund von Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen statt. UN-Sondergesandter Haile Menkerios, der am Samstag auf Madagaskar eintraf, soll zwischen den Kontrahenten vermitteln. Der blutige Machtkampf zwischen Ravalomanana und Rajoelina hat vor zwei Wochen mit einem Generalstreik begonnen, dem eine Plünderungswelle folgte. Bei Gewaltakten kamen damals bereits mehr als 100 Menschen ums Leben.
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