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Blut, Schweiß und Feuer

Gegen Rechtsextremismus helfen keine Repressionen, sondern nur die politische Auseinandersetzung – die das vormoderne, rechte Denken nicht bestehen kann

Die derzeitige Debatte um die Eindämmung des neuen Rechtsradikalismus hat mindestens drei Schwächen. Erstens folgt sie mit der pädagogischen Doppelstrategie von Repression und Prävention einem fragwürdigen Erziehungsmodell: Die Protagonisten der rechten Gewalt sind demnach vorwiegend missratene Zöglinge, die zum Objekt von Law and Order oder der Sozialpädagogik gemacht werden.

Zweitens übersieht die Diskussion die alltagskulturelle Verankerung rechten Denkens – und verfehlt die Dimension eines vormodernen Menschen- und Weltbildes, das sich in Teilen der Gesellschaft gehalten hat.

Drittens überdecken viele der aktuellen Ausgrenzungs- und Verbotsforderungen den Verzicht auf eine diskursive Auseinandersetzung über zentrale Fragen der Gegenwartsgesellschaft wie Einwanderung und Asyl. Gerade das offenbart ein mangelndes Vertrauen in die parlamentarische Demokratie und die Möglichkeiten der Veränderung von Mentalitäten.

1. Auch der junge Rechtsradikale, selbst wenn seine Lebensgeschichte trostlos und seine Persönlichkeitsbildung misslungen scheint, ist sprach-, verhandlungs- und rechtsfähig; er genießt keineswegs etwa den vorgesellschaftlichen Status eines Kaspar Hauser oder den nachgesellschaftlichen einer Person mit aberkannter Zurechnungs- und Schuldfähigkeit. Aber er spricht nicht, er verhandelt nicht, er rechtet nicht – er agiert. Im „Abfackeln“ von Asylantenwohnheimen, im „Abklatschen“ von Obdachlosen und in der mörderischen Jagd auf den schwarzen Mann hat er eine Form der heiligen Aktion gefunden, in der er sein inneres Gleichgewicht sichert und sich öffentliche Aufmerksamkeit verschafft. Die Hilflosigkeit und Ohnmacht seiner Opfer vermittelt ihm ein überlegenes Gefühl von Macht und Männlichkeit.

Im Kampf gegen die Komplexität der Moderne und die kosmopolitische Offenheit der Welt erleben wir das Aufleben neuer Männerbünde und Bruderschaften, die sich an archaischen Bildungsmustern orientieren. Die gemeinsam begangenen Verfolgungsjagden, Mordtaten und Brandstiftungen, schaffen sie nicht eine elementare Verbindung in Blut, Schweiß und Feuer? Es sind die Kinder unserer Gesellschaft, die hier den starken Mann markieren und die Grenzen des Staates austesten. Aber nicht nur die Grenzen von Repression und Fürsorge, sondern auch die Grenzen unserer Kommunikationsfähigkeit und der Bereitschaft, eine Zivilisation zu verteidigen, die Konflikte friedlich austrägt und das Gewaltmonopol an den Staat delegiert hat. Gleichzeitig müssen wir prüfen: Sind unsere legitimierten Organe staatlicher Gewalt denn frei von ihrer diskriminierenden Ausübung – oder behandeln auch sie gelegentlich Ausländer und Andersfarbige wie Menschen zweiter Klasse?

2. Das vormoderne Welt- und Menschenbild der rechten Szene ist kein Randphänomen, das sich ohne weiteres ausgrenzen oder reintegrieren ließe – es ist mittendrin in der Alltagskultur. Ein Beispiel. Als mit dem desaströsen Abschneiden der deutschen Fußballelite bei den Europameisterschaften der Verfall von Spielkunst und -kultur gegenüber anderen Mannschaften offenkundig wurde, begann zur Entlastung gleich ein nationaler Erregungsdiskurs über die verschwindenden „deutschen“ Tugenden von Kampf, Einsatzbereitschaft und Siegeswillen.

Der vom Meister der filigranen Ballkunst zum autoritären Trainer verwandelte Fußballer Felix „Quälix“ oder „Brüllix“ Magath durfte unwidersprochen seine These von der genetischen Bedingtheit der Ballfertigkeit mit seiner eigenen halb karibischen Herkunft begründen – und dem einheimischen Fussballer bescheinigen, dass er nur mit autoritärer Führung und martialischem Drill zu Leistungen zu motivieren sei. In diese vormoderne Philosphie und ihre anthropologischen Grundlagen hatte der leitende Angestellte Magath uns früher bereits Einblick verschafft, als er darüber aufklärte, erst unter Todesangst würden die vollen Leistungsreserven mobilisiert.

Dazu passend und ebenfalls ohne öffentlichen Widerspruch betreibt sein Verein, in dem früher Okocha, Yeboah und Uwe Bein die hohe Kunst des Spiels zelebrierten, jetzt großflächige Werbung, auf der das kampfverschmierte Trikot des Spielführers im Zentrum steht und an die Benetton-Reklame aus dem Bosnienkrieg erinnert. Der Text rechnet mit den „geborenen“ Abzockern, Heulsusen und Drückebergern ab, und der ebenso „geborene“ virile Kämpfer soll den Kampf gegen den drohenden Abstieg anführen – Kriegsmetaphern, „Männerphantasien“.

3. Wegen der Verankerung des rechten Denkens in Teilen der Gesellschaft werden wir wohl hinnehmen müssen, dass es sich auch in Deutschland als womöglich erfolgreiche Partei formiert. Die historische Erfahrung mit dem Nationalsozialismus immunisiert gegen die Wiederholung des faschistischen Zivilisationsbruchs hier ebenso wenig, wie die Erfahrung mit Kollaboration und Vichy-Regierung in Frankreich ein Antidot gegen den Front National gewesen ist.

Allerdings muss man von diesen Parteien verlangen, dass sie sich an Recht und Verfassung halten und keine Brände legenden und mordenden Banden aushalten; ein Verbot hingegen würde nur das dezentralisierte rechtsradikale Vagantentum fördern. Der Staat soll aufmerksam und „stark“ sein, die Opfer schützen, die Täter verfolgen – aber im Rahmen des liberalen Rechtsstaats: keine Berufsverbote, keine Schnellgerichte, keine Einschränkungen des Demonstrationsrechts. Man muss die politische Auseinandersetzung mit diesen Parteien stattdessen auf der Ebene der parlamentarischen Demokratie suchen.

Die Erfahrung zeigt, dass eine rechtsradikale Partei diese Herausforderung, wenn sie auf der Höhe der Zeit geführt wird, nicht bestehen kann, weil das vormoderne Denken keine Optionen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme der Gegenwart bietet. Deshalb ist es fatal, wenn die demokratischen Parteien, das völkische Ressentiment fürchtend, die Frage der Migration nicht offensiv als Frage der ökonomischen, sozialen und kulturellen Realität diskutieren. Erst wenn man beide Verkürzungen vermeidet – die der Einwanderungsdebatte auf die nützlichen Einwanderer und die der Asyldebatte auf den edlen Asylbewerber –, erst dann kann man sich mit Xenophobie und Rassismus als Problem der nationalen Mentalität bei der Gestaltung der Zukunft angemessen auseinander setzen und die autoritären Potenziale zurückdrängen.

Hinweise:Das vormoderne Welt- und Menschenbild der rechtsextremen Szene ist tief in unserer Alltagskultur verankertFatal ist, wenn die Demokraten Migration aus Angst vor dem völkischen Ressentiment nicht offen diskutieren

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