Blühende Landschaften

Aus Öko-Yuppis werden in Essen Schrebergärtner, Gemüse schmeckt wieder so gut wie früher und aus Bergarbeiterküche wird New World Cuisine

Das Projekt ist etwas für Menschen, die den Wandel der Welt nicht mehr verstehen

VON ULLA JASPER

Jetzt ist es amtlich: „Der Zusammenhang zwischen geistig-körperlicher Gesundheit und dem Ernährungsverhalten – dem Lebensstil ganz allgemein – ist längst keine Domäne einer grün angehauchten Minderheit mehr“. Das haben die Betreiber des Nobel-Restaurants Casino Zollverein aus Essen gestern auf einer Pressekonferenz erklärt.

Und weil nun also auch Revier-Yuppies ihren grünen Daumen entdeckt haben und sich für Slow Food, Sortenvielfalt und vom Aussterben bedrohte Gemüse- und Obstsorten interessieren, haben die Casino-Betreiber zusammen mit der Düsseldorfer Grundstücksgesellschaft Hardorp eine gemeinnützige GmbH gegründet, um ein ehemaliges EON-Gelände in Essen-Katernberg in den Garten Zollverein zu verwandeln.

Zusammen mit dem Biologen Hubertus Ahlers wollen die Betreiber des Restaurants nun einen „Ort der Gartenkultur“ schaffen. Die Initiatoren des Projekts sehen sich mit ihrer „New World Cuisine“ als direkte Nachfahren der Bergarbeiter-Selbstversorgung: „Die Gartenkultur der Bergarbeiter war hoch entwickelt, zu jedem Bergarbeiterhaus gehörte ein kleiner Nutzgarten. In Zusammenarbeit mit privaten Pächtern und angrenzenden Kleingartenbesitzern soll der Garten Zollverein diese Verbindung beispielhaft wiederherstellen.“

Knapp zwei Hektar Fläche sollen demnach von den Garten Zollverein-Betreibern landwirtschaftlich genutzt werden, um seltene Nutzpflanzen wieder anzusiedeln. Demnächst gibt es in Essen-Katernberg also so seltene Pflanzen wie die Banana Legs Tomate, die Superschmelz Kohlrabi oder die Braunschweiger Blutrote Zwiebel. Vor allem die Gäste des Casinos Zollverein sollen in den Geschmack dieser Produkte kommen, denn dort wird der größte Teil des Gemüses dann verarbeitet. „Rekultivierung der Arbeiter- und Bergarbeiterküche“ wird dann auf der Speisekarte stehen. Falls dann noch Gemüse übrig bleibt, soll es in einem „Kolonialwarenladen“ am Rande des Gartens verkauft werden.

Die übrige Fläche des insgesamt rund 2,6 Hektar großen Grundstücks soll in Parzellen unterteilt und willigen Kleingärtnern zu einem Preis von 16 Euro pro Quadratmeter zum Kauf angeboten werden. Niels Hardorp, Geschäftsführer der gleichnamigen Grundstücksgesellschaft, berichtet bereits von vielen Interessenten, weist aber ausdrücklich daraufhin, dass das Projekt nicht nur etwas für „Grüne Ideologen“ sei: „Das Projekt ist etwas für Menschen, die sich verwurzeln wollen in einer Welt, deren Wandel sie immer weniger verstehen. Aber wir wollen niemanden ideologisch einorden. Nur Gentechnik ist verboten.“

Diejenigen, die sich keinen Restaurantbesuch im Casino oder eine eigene Parzelle in diesem Kleinod inmitten eines „sozial schwierigen Umfelds“, so Hardorp, leisten können, haben aber dennoch Gelegenheit, die Kräuter-, Gemüse und Blumenbeete aus nächster Nähe zu bestaunen – gegen einen kleinen Eintritts-Obulus. Erlebnispädagogische und naturkundliche Fortbildungsangebote für Kinder und Erwachsene ergänzen das Angebot darüber hinaus, damit auch wirklich alle an den blühenden Landschaften im Revier teilhaben können.

Die Bergarbeiter-Nostalgiewelle ist damit also endgültig bis auf die Suppenteller geschwappt. Da ist es gut, dass die Casino-Betreiber uns nochmal erklären: „Du bist, was Du isst“.