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Blühende Geschäfte

Der Blumenanbau in der „dritten Welt“ gefährdet die Lebensmittelversorgung / Deutsche VerbraucherInnen kaufen Pflanzen für 7 Mrd. Mark  ■ Von Bettina Rühl

Köln (taz) – Durch lange Reihen aus Topf- und Schnittblumen schieben die Kölner Blumenhändler frühmorgens ihre Einkaufswagen. Die blühende Vielfalt, die sie auf dem Großmarkt erwerben, kommt mittlerweile aus aller Welt. Nelken aus Kolumbien, Phlox aus Israel, Ranunkeln aus Südfrankreich, Lederfarn von der Elfenbeinküste, Heliconien aus der Dominikanischen Republik – selbst die Rose „Europa“ kommt aus Brasilien. „Ich habe heute keine deutsche Ware hier“, sagt Großhändler Günter Ebert. „Wir importieren weltweit, außer aus der Antarktis.“ Während der Wintermonate kommen drei Viertel des Angebotes auf dem Kölner Markt von Plantagen aus Holland bis Indien. „Ansonsten“, so Ebert, „könnten wir im Winter nur Nelken vertreiben.“

Das Geschäft mit der welkenden Pracht floriert in der Bundesrepublik: Mit 2,1 Milliarden Mark ist sie der weltgrößte Importeur von Schnittblumen. Der Löwenanteil von 87 Prozent kommt aus den Niederlanden, den Rest teilen sich mehr und mehr Länder aus der „Dritten Welt“. Genau zu beziffern ist deren Anteil jedoch nicht, denn viele holländische Blumenindustrielle haben ihre Plantagen außer Landes verlegt, um höhere Gewinnspannen zu erzielen.

Lohnend sei der blühende Welthandel vor allem für die Importländer, kritisieren entwicklungspolitische Gruppen. Am Beispiel kolumbianischer Nelken errechneten sie die Gewinnverteilung: Nur 5 Pfennig von 1,70 DM, die die deutsche Käuferin für eine Nelke zahlt, verdient die kolumbianische Plantagenarbeiterin. Auf Großhandelsebene werden in der Bundesrepublik jährlich 2,6 Milliarden Mark umgesetzt – die deutschen VerbraucherInnen geben 7 Milliarden Mark für Blumen aus.

Katastrophale Arbeitsbedingungen und langfristige ökologische Schäden in den Herkunftsländern ermöglichten westlichen Importeuren trotz der weltweiten Transportwege den günstigsten Schnitt im Blumenwelthandel, kritisiert Ralph Piorr, Sekretär der „Blumenkampagne“. 1991 wurde sie u.a. von Brot für die Welt, der Menschenrechtsorganisation FIAN und dem Kinderhilfswerk terre des hommes gegründet.

Kolumbien ist mit Exporten für 38,8 Millionen Mark 1991 nach den Niederlanden und Israel der wichtigste Blumenlieferant für Deutschland. „Vom Flugzeug aus sieht man in der Savanne von Bogotá fast nur noch Blumenplantagen“, erzählt Ute Sodemann von terre des hommes. „Sie dehnen sich mittlerweile im ganzen Land aus, weil die Böden in der Hochebene schon verbraucht sind.“ Für den Lebensmittelanbau sind die ausgelaugten und durch Pestizideinsätze verseuchten Böden in der ehemaligen Kornkammer Kolumbiens nachher nicht mehr zu gebrauchen. Die blühenden Exportkulturen, oft von internationalen Konzernen angebaut, vertreiben die KleinbäuerInnen von ihren Feldern. Die Verseuchung von Böden und Grundwasser trifft sie an den Grundlagen ihrer Existenz: Mais, Korn oder Salat können sie auf ihren Feldern in der Nähe der Plantagen nicht mehr anbauen. Ernährungsengpässe drohen, sogar Trinkwasser wird in vielen kolumbianischen Gemeinden knapp.

Weil mit der Qualität der Böden auch die der Nelken oder Rosen sinkt, ging der Gewinn bei steigenden Exportmengen zurück. Viele Blumenindustrielle verlegten ihre Plantagen bereits aus der versteppenden Savanne bei Bogotá nach Peru oder Ecuador.

Auch Kenia setzt seit den 60er Jahren auf Gartenbau als Devisenquelle. Statt Tee und Kaffee werden immer mehr Blumen angebaut. 70 Kilometer nördlich von Nairobi liegt im Rift Valley die Sulmac-Farm: Mit 140 Hektar ist sie die größte Plantage unter freiem Himmel weltweit. 70 Prozent aller kenianischen Exportnelken werden hier produziert. Hauptgewinner ist der Besitzer der Farm, der britisch-niederländische Lebensmittelkonzern Unilever.

Auch im Rift Valley sind bereits ökologische Schäden zu beobachten: täglich 6.000 Kubikmeter Wasser wurden 1991 aus dem Naivasha-See auf die Plantagen gepumpt. Der Grundwasserspiegel sank bedrohlich, der Konzern entwickelte ein neues Bewässerungssystem, das den Wasserverbrauch um 25 Prozent minderte. Für viele kenianische Kleinbauern aber blieb die Wasserversorgung ein Problem und drohende Nahrungsmittelengpässe werden von der Landesregierung inzwischen eingeräumt: Die Blumenplantagen liegen auf Kenias fruchtbarsten Böden.

Hatten Weltbank und die staatlich finanzierte deutsche „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ) jahrzehntelang den Anbau von Tee und Kaffee als Exportgüter empfohlen, preisen sie seit deren Preisverfall den Blumenexport als Devisenquelle mit Zukunft an. Obwohl der Markt selbst nach Einschätzung von Großhändler Ebert bereits gesättigt ist, erhalte sein Berufsverband BGI immer wieder Anfragen von der GTZ, die für Neueinsteiger die Tür zum Blumenweltmarkt öffnen will. Für Produzenten aus Jamaica und Mauritius, der Elfenbeinküste, Südafrika oder Marokko versucht „pro trade“, ein Ableger der GTZ, Kontakte mit den deutschen Händlern und Importeuren zu knüpfen. Axel Wildner, der bei „pro trade“ mehrere Länder betreut, glaubt, daß das Geschäft mit den Blumen nicht so schnell verblühen werde wie das mit Kaffee, Bananen oder Kakao – denn der Blumenmarkt sei durch die wechselnden westlichen Blumenmoden ein Nischenmarkt.

Für die Produzenten bedeutet das, daß sie ihre Kulturen immer wieder umstellen müssen, je nach westlichem Geschmack, wenn ihre Einnahmen nicht versiegen sollen. Und in manchem deutschen Laden welkt das Geschäft mit dem Luxusartikel Blume bereits: „Die Lebenshaltungskosten steigen. Immer häufiger nehmen meine Kunden nur noch eine Primel für 1 Mark 50 mit nach Hause“, erzählt eine Floristin aus Köln. Die teuren Rosen aus Übersee bleiben in den Vasen stehen.

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