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Blockade–Freispruch in Tübingen

■ Nach 450 Urteilen gegen Blockadeteilnehmer erster Freispruch / Richter bedankt sich bei Verfahrensbeteiligten

Tübingen (taz) - 450mal waren Blockadeteilnehmer im Tübinger Landgerichtsbezirk in den vergangenen Jahren verurteilt worden. Am Montag abend endete eine Berufungsverhandlung gegen fünf Blockadeteilnehmer vor dem Tübinger Landgericht mit vier Freisprüchen und einer Verurteilung zu 20 Tagessätzen (AZ 2 Ns 27/85). Die fünf Angeklagten, zwei Frauen und drei Männer, hatten sich im Frühjahr 1983 verschiedentlich an Kurzblockaden Tübinger Friedensgruppen vor dem Raketenlager Großengstingen auf der Schwäbischen Alb beteiligt und waren wie hunderte anderer Blockierer im Schnellverfahren vom Amtsgericht Münsingen wegen Nötigung von „Beifahrern“ (in Bundeswehr LKWs) verurteilt worden. Die Tübinger Rechtsanwälte Siegfried Nold und Michael Langner legten Berufung ein, und der Vorsitzende der Berufungsinstanz, Landrichter Ernst–Günther Grebe, ließ sich Zeit. Doch auch der letztjährige Spruch der Karlsruher Verfassungsrichter half nicht eigentlich weiter: Die Frage der „Verwerflichkeit einer Nötigung“, so Richter Grebe in seinem mündlichen Urteil, sei nur durch den Gesetzgeber lösbar. Die Blockaden selbst seien ohne Gewalttätigkeiten, entspannt und durchaus friedlich verlaufen, und mit dem Begriff der „Verwerflichkeit“ könne kein uferloser Gewaltbegriff eingeführt werden. Richter Grebe bedankte sich bei allen Verfahrensbeteiligten für faire Zusammenarbeit. Verteidiger Noll kritisierte gegenüber der taz, daß sonst in Blockadeprozessen nur selten alle juristischen Möglichkeiten genutzt würden. Meist stünde eine politisch Argumentation im Vordergrund.

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