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Blockade gegen „Tamil–Tiger“

■ Die Jaffna–Halbinsel im Norden Sri Lankas, eine Hochburg der tamilischen Guerilla, ist seit einem Monat von der Treibstoffversorgung abgeschnitten / Die Regierung will die Aufständischen in die Knie zwingen

Von Biggi Wolff

Die Regierung Sri Lankas reagierte prompt. Die stärkste Guerilla–Organisation der tamilischen Minderheit der Insel, die „Liberation Tiger of Tamil Eelam“ (LTTE), hatte am 1. Januar angekündigt, sie habe auf der Jaffna–Halbinsel im Norden des Landes die zivile Verwaltung übernommen: Post, Verkehr, Steuerwesen und Gerichtsbarkeit. Schon am 2. Januar verfügte die Regierung eine Blockade der Halbinsel: Lastwagen, die Diesel, Petroleum, aber auch Holz und Medikamente transportierten, werden spätestens am „Elephant Pass“, der Landzunge zwischen Halbinsel und Festland von der Armee gestoppt. Schon seit einigen Monaten kontrollieren die Tigers Jaffna. 4.000 auf der Halbinsel stationierte Regierungssoldaten sitzen in ihren Camps fest - belagert von der Guerilla, die die Zufahrtsstraßen vermint hat. Gegen die Angriffe der Luftwaffe und der Marine jedoch gibt es keinen wirksamen Schutz. Nach Angaben der indischen Tageszeitung The Hindu wurden allein 1986 mehr als hundert tamilische Dörfer im Norden und Osten Sri Lankas durch Beschuß aus der Luft oder vom Meer zerstört. Die LTTE versteht sich als alleiniger Vertreter des tamilischen Volkes. Andere Guerillaorganisationen wie die „Tamil Eelam Liberation Organisation“ (TELD) und die „Eelam Peoples Revolutionary Liberation Front“ (EPRLF) versuchte sie im Mai und Dezember 86 auszuschalten. Öfter schon wurden Tamilen, die LTTE kritisierten, in Jaffna an Laternenpfählen aufgeknüpft. Die Arroganz der Macht derjenigen, die die meisten Waffen haben, scheint grenzenlos. Die 2.150 Quadratkilometer große Halbinsel mit einer Nord– Süd–Ausdehnung von 55 Kilometern ist mit knapp einer Million Einwohnern, darunter 100.000 Flüchtlingen aus anderen Teilen Sri Lankas, sehr dicht besiedelt. Nach einer Aufstellung der Ti mes of India werden auf Jaffna wöchentlich 150.000 Liter Benzin und 124.000 Liter Kerosin benötigt. Seit der Verhängung der Sanktionen liegen 6.600 Autos, 6.000 Motorräder, 1.000 Traktoren, 660 Lkws und 700 Kleinbusse still. Hunderte von mit Diesel betriebenen Wasserpumpen - zur Kultivierung des extrem trockenen Bodens unerläßlich - sind außer Betrieb. Der Liter Diesel wird heute zu Preisen von umgerechnet sechs Mark und mehr gehandelt. Gemü se– und Tabakanpflanzungen verdörren auf den Feldern. Nach Meldungen von BBC London soll es zu ersten Engpässen bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten gekommen sein. Schon fallen auch Generatoren aus, die Krankenhäuser mit Strom versorgen. Viele Hütten in den Dörfern bleiben abends dun kel, der Betrieb der Kerosinlampen ist zu teuer geworden. Die Regierung in Colombo hat den Fahrzeugbesitzern angeboten, aus den Militärlagern Benzin abzugeben, wenn sie eine ordnungsgemäße Fahrzeuglizenz vorweisen können. Seit dem Neujahrstag hatten die Tigers die Lizenzvergabe für sich reserviert. Ohne Treibstoff, höhnt Minister Athulathmudali in Colombo, „können sie Lizenzen für Fahrzeuge ausstellen, die nicht fahren“. Zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens ist die Bevölkerung Jaffnas bei anhaltenden Sanktionen von Treibstofflieferungen aus Südindien abhängig. Doch in der 30 Kilometer breiten Meeresstraße zwischen Indien und dem Norden Sri Lankas patrouillieren Tag und Nacht Schnellboote, die die Regierung unter anderem in Singapur, Israel und Großbritannien eingekauft hat. Unterstützt wird die Marine durch Kampfhubschrauber und Flugzeuge und einem von Israel gelieferten elektronischen Küstenüberwachungssystem. Mit der Seeblockade versucht die Regierung in Colombo offensichtlich nicht nur Waffenlieferungen aus Südindien für die Guerilla zu unterbinden, sondern diese auch über eine Aushungerungsstrategie gegen die Bevölkerung in die Knie zu zwingen.

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