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Blockade-Frühstück im Gleimtunnel

■ Mahnwache will morgen die Öffnung des Autotunnels verhindern / Neue Ost-West-Verbindung als „Rennpiste“

Wird die seit fünf Monaten andauernde Mahnwache im Gleimtunnel heute von der Polizei geräumt? Die rund ein Dutzend Besetzer, von denen ein Teil in der ehemaligen Eisenbahnunterführung zeltet, rechnen mit der Staatsgewalt schon gegen sechs Uhr morgens. Nach ihren Informationen sollen dann nämlich die Poller entfernt werden, die die Verbindung zwischen Wedding und Prenzlauer Berg für Autofahrer blockieren. Nach dem Entfernen der Absperrung wären nur noch die fünf Zelte der Mahnwache dem Autoverkehr im Wege.

Mit einer offiziellen Eröffnung rechnet die Betroffenenvertretung Falkplatz aber erst am Dienstag. Deshalb ruft die Vertretung für morgen früh neun Uhr zu einem Blockade-Frühstück auf, um die Öffnung zu verhindern – wenigstens aber zu verzögern. Sie fordern die dauerhafte Sperrung des Gleimtunnels für den Autoverkehr.

Mit ihrem Protest wissen die Besetzer die Kommunalpolitiker Weddings und Prenzlbergs hinter sich. Erst am Freitag letzter Woche protestierte die Fraktionsvorsitzende der Weddinger SPD, Hannelore Jahn, erneut: „Der Senat verwandelt ein verkehrsberuhigtes Wohngebiet in eine Rennpiste.“ Die Verkehrsverwaltung hat in der Rügener und Gleimstraße „freie Fahrt“ eingeführt und deshalb die bisherige Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ aufgehoben. Tempo 30 gilt in den Wohngebieten weiterhin.

In den Verordnetenversammlungen und den Ämtern beider Bezirke war die Öffnung des Tunnels schon vor Monaten abgelehnt worden. Die Gremien befürchteten, daß der Verkehr auf der Strecke, die die Schönhauser Allee mit der Brunnenstraße verbindet, ein erhebliches Ausmaß annimmt. Doch Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) zog die Angelegenheit an sich und setzte sich mit seinen Planungen über den Willen der Bezirke hinweg.

Protest gegen 15.000 zusätzliche Autos täglich

Daß selbst Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) in einem Schreiben an seinen Kollegen Haase mit dem Argument protestierte, Prenzlauer Berg zähle zu den lufthygienisch und stadtklimatisch „am stärksten belasteten Gebieten“ Berlins, nutzte nichts. Haase hielt es nicht einmal für nötig zu antworten. Krüger befürchtet auch, daß der auf dem Bahndamm und über dem Gleimtunnel geplante Mauerpark, für jüngere und ältere Menschen besonders wichtig, durch den Durchgangsverkehr gefährdet werde.

Der Verkehrssenator rechnet mit täglich 10.000 Autos – Lastwagen dürfen den Tunnel nicht passieren. Die Herstellung der Verbindung kostet mindestens 625.000 Mark, erklärte er vergangene Woche dem Abgeordnetenhaus. Unter anderem mußten vier Ampelanlagen in Betrieb genommen und in der Eisenbahnunterführung Leitplanken gezogen werden. Die Eröffnung wird vom Verkehrssenator damit begründet, daß grundsätzlich alle historischen Straßenverbindungen zwischen Ost- und Westberlin wiederhergestellt würden und in diesem Fall außerdem die Parallelstrecken Bornholmer und Bernauer Straße überlastet seien.

Die Betroffenenvertretung rechnet dagegen mit 15.000 Kraftfahrzeugen täglich. Wahls glaubt, daß bei dieser Belastung die Verkehrsverwaltung Tempo 30 ganz aufheben werde. Einen weitere Zunahme des Verkehrs erwartet der Mahnwachen-Initiator ab kommendem Frühjahr: Durch Bauarbeiten auf der Schönhauser Allee würden viel Autofahrer den Gleimtunnel dann als Umleitung nutzen. Dirk Wildt

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