: Blitze und Leuchtzeichen
■ Neonkunst im Kito: 25 internationale KünstlerInnen und andere Lichtgestalten
Wer sich daran wagt, die künstlerischen Dimensionen des sogenannten Neon-Lichts auszuloten, muß angesichts der gefährlichen Nähe zur Reklame und zum Kunstgewerbe — positiv ausgedrückt — unbekümmert sein. Wer ist unbekümmert? Genau, die Amis. In den USA kann man Neonkunst an Kunstschulen und Universitäten studieren. Auch unbekümmert ist ein Mann wie Hein van de Water. Ein niederländischer Entenfänger, Fischer, Kirchenfenster- Restaurator (Groninger Kathedrale), Brennofenbauer, Hausbootler, Schmied, Laser-Lichttechniker im Disco-Bereich und eben: Neonkünstler. Hein also, der die abgefahrensten Verknotungen aus bunten Edelgasröhren begeht, hat für die Ausstellung „Neon und anderes — Kunst aus Glas und Licht“ im Vegesacker KITO auch die Straßenreklame gebaut: einen roten Doppelpfeil über der Alten Hafenstraße, der den Weg zum Eingang weist.
Die Ausstellung, die vergangenen Freitag eröffnet wurde, ist tunlichst in den Abendstunden zu besichtigen, denn die in allen Farben leuchtenden und aufs Bizarreste gebogenen Röhren, transparenten Bambusstangen, leuchtenden Bäumchen, flammenden Kreuze und Wohnzimmerlampenartigen brauchen die Abwesenheit des Tageslichts. Dann entfalten sie ihre quietschbunte Strahlkraft, die vom bunten Glas oder dem Edelgas drinnen herkommt — Argon, Krypton, nur selten tatsächlich Neon. Und immer kugelt ein wenig Quecksilber in den Röhren rum, sonst reißt die Gassäule, und das leuchtende Gas scheint in Form kleiner Kugeln hin- und herzuperlen — manchmal ein erwünschter künstlerischer Effekt.
Ganz taufrisch ist Neonkunst nicht; den großen Aufschwung in den Staaten hatte sie in den 60ern; da korrelierte sie mit den damaligen Bewußtseinserweiterungs- und Drogenerfahrungen. Bis heute ist sie voll naiver Bewunderung für die Effekte des Leuchtgases, voll Entdeckerspaß geblieben.
Also darf im KITO gelacht werden. Über den Antilopenschädel aus echtem Bein zum Beispiel, dessen Umrisse ein Argonröhrchen bildet (Elijah Cobb, USA). Über Brain Coleman's knallbunt leuchtende Zuckerstangen, die sich innigst umeinander winden und in denen sich die Elektronen mit sichtbarer Spur immer den kürzesten Weg um die Kurven suchen. Man darf auch lachen über die abstrusen Figurinchen des David Svenson, die sogar vorsichtig anzufassen sind — alles Leuchtgas kriecht dann in die Nähe der Hand. „Kunst,“ sagt Hein van de Water, „Kunst ist, was mir ein Emotie geben kann — und Davids Arbeiten machen mich froh.“ Soviel zur Abgrenzung Richtung „dekorativ.“ Die bei Neon recht müßig ist, da viele Künstler ihre Brötchen mit „kreativem Licht“ im Ausstellungs- oder Gastronomiebereich verdienen. Insbesondere in der neueren Architektur (speziell Niederlande) boomt Neon als Fassadenauflockerer und Treppenhausgestalter.
Die Themen „Glas“ und „Neon“ haben zunächst nicht zwangsläufig miteinander zu tun. Der Neonkünstler kann sozusagen seine Blitze und Leuchtzeichen in den Raum schleudern, eine Skizze machen und die entsprechenden Neonröhren von Profis biegen lassen. Da an der Ausstellung aber maßgeblich die Bremer Glasgalerie der Monica Borgward beteiligt ist, wurde doch auch Wert auf die Rolle des Glases gelegt. Das heißt, es werden auch genreferne Künstler gezeigt wie der Schwede Hans Frode, der seine mit Glasgußstücken versehene Hinterglasmalerei (Stilleben mit gelber Wand“) von hinten mit Leuchtstoffröhren illuminiert. Nur noch Glas und (Tages-) Lichtbrechung ist Karl Berg mit seinen gewaltigen hochglanzpolierten Glasklumpen, mutmaßlichen Abfallstücken aus der Teleskopproduktion.
Eine Sorge haben laut Auskunft von Herrn van de Water gleichermaßen Laien und Sammler: Wie ist das mit der Vergänglichlkeit der Neonkunst? Wie oft muß man doch in der Küche die Neonröhren austauschen?! Wenn sie richtig gemacht sei, erläutert Hein, halte die Neonkunst 15 Jahre; und dann könne man zu ihm kommen, für einen Hunderter macht er neue Elektroden ans und frisches Vakuum ins Kunstwerk — für die nächsten 15 Jahre. Burkhard Straßmann
Die Ausstellung im Vegesacker KITO läuft bis zum 28.11, offen Mi., Sa. Und So. 11-18 Uhr und nach Vereinbarung (Tel. 666660); Katalog 28 Mark
hierhin bitte
das Foto mit dem
Neonmännchen
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kommt extra!)
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