■ Kolumne
: Blitz-Hitze versengt Hirne

Meine Karriere als Autor für die Tagespresse begann nicht hier, nicht bei der taz, sondern bei der Hamburger Morgenpost. Es gab sogar eine Zeit, da ich für die taz unter einem lustigen Pseudonym schreiben mußte, weil bei der Mopo niemand wissen sollte, daß ich auch für einen Mitbewerber tätig bin. Das war damals, als der heute verschollene Clemens Grün, ein legendärer Wahnsinniger von Garcia-Marquez'schem Ausmaß, es geschafft hatte, den damaligen Mopo-Chefredakteur und künftigen Bundeskanzler, Wolfgang Clement, von der Notwendigkeit täglicher Popmusik-Berichterstattung zu überzeugen.

Als Grün nach 18 Monaten wegen wiederholter Eskapaden gefeuert wurde, drohte die gesamte Belegschaft der Pop-Seite mit Streik, da man bei allen Differenzen doch schätzte, daß Grün für einen post-rockistischen Pop-Journalismus stand. Clement ließ sich von diesem Argument bei einer Krisensitzung nicht beeindrucken, sondern verpflichtete einen Novizen namens Rüdiger Knopf – übrigens ein ehemaliger Mitschüler und einer der wenigen Verbündeten bei meinem vergeblichen Versuch, als Teenager an einer tiefschwarzen Schule linke Schulpolitik zu machen, aber ich schweife ab.

Fest steht: Seit Grüns Abgang und dem daraufhin erfolgten Ausstieg von drei Vierteln seiner Autoren ist die Pop-Seite der Mopo in keiner Weise interessanter als der Rest des Blattes. Insofern kann ich die Polemik des geschätzten Kollegen Twickel in der neuesten Ausgabe der Szene nicht nachvollziehen, der gerade in letzter Zeit einen qualitativen Niedergang der Rubrik beobachtet haben will. Aber vielleicht habe ich die Mopo, die ich vor meiner Zeit als ihr Mitarbeiter nie gelesen hatte, an die ich mich während jener anderthalb Jahre aber gewöhnt habe, zuletzt nicht mehr konzentriert genug studiert.

Denn es gibt andere Indizien dafür, daß ein Undercover-Agent des Springer-Verlags seit einiger Zeit die Geschicke des Blattes lenkt. Dachte man zunächst, die legendären Durchdreh-Schlagzeilen des letzten Sommers – der „Blitz-Hitze“-Titel mit der riesigen Sonnenscheibe hängt noch heute in so gut wie jeder Hamburger Redaktion, um gelegentlich ein Lächeln auf die Gesichter streßgeplagter Redakteure zu zaubern – seien das Werk eines Praktikanten gewesen, der aufgrund einer angespannten Personalsituation sich an vorderster Front bewähren durfte, wird man angesichts der Headlines der letzten Monate den Verdacht nicht los, die Auflage der Mopo soll gezielt auf null gebracht werden.

Neuestes Mittel, dessen man sich verstärkt bedient, sind Umfragen und Statistiken. Und während die Bild weiterhin brav ihre Headlines aus den bewährten Ingredienzen Berti, Boris & Basler zusammenbraut, versucht die Mopo den potentiellen Konsumenten mit der Zahl der Schwarzarbeiter oder mit Sensationsmeldungen wie „Hamburg: 65 Prozent fordern Detektive gegen Sozialmißbrauch“ unter Kaufzwang zu stellen. Die Blitz-Hitze hatte wenigstens einen gewissen Charme.

Umso mehr freue ich mich, daß ich nicht mehr Autor bei der Mopo bin. Zumal ich bei der taz jetzt nicht nur unter meinem richtigen Namen schreiben darf, sondern zusätzlich noch ein Foto von mir gedruckt wird.