: Blick nach Berlin
Die deutsche Handballauswahl verliert des letzte WM-Testspiel gegen Ägypten, ist aber trotzdem bester Laune
MÜNCHEN taz ■ Das Szenario wirkte wie ein Ausflug in die jüngste Vergangenheit. Erinnerungen an den vergangenen Sommer kamen auf. Die ausverkaufte Münchner Olympiahalle war ein wogendes Gemälde aus Schwarz, Rot und Gold, 10.900 Menschen standen und wippten die vorher verteilten Deutschlandfähnchen im Takt der Musik. Aber diesmal hatte nicht der Fußball die Masse begeistert, es war der Handball, der am kommenden Freitag in Berlin mit dem Eröffnungsspiel Deutschland gegen Brasilien in die Weltmeisterschaft startet.
„Sehr bewegend, diese Begeisterung in den Augen dieser Menschen zu sehen“, sagte Linksaußen Dominik Klein (THW Kiel) nach der Partie gegen Ägypten, dem letzten Testspiel vor der WM. „Das war schon ein besonderes Gefühl beim Einmarsch, damit hatte ich nicht gerechnet“, gab Kapitän Markus Baur (TBV Lemgo) zu. Und auch Bundestrainer Heiner Brand freute sich: „Die Atmosphäre war schon toll, es waren viele junge Leute da, das ist gut für unseren Sport“, sagte der 54-jährige Gummersbacher nach dem Freundschaftsspiel, das sich nie wie ein solches anfühlte.
Natürlich war Brand mit der 29:30-Niederlage gegen den WM-Vierten von 2001 nicht zufrieden: „Der Sieg der Ägypter ging in Ordnung. Ich verliere zwar nie gern, aber ich bin auch keineswegs enttäuscht“, sagte er. Auch Kapitän Baur irritierte das schlechte Ergebnis nicht. „Wir haben eigentlich gar nicht so schlecht gespielt, wir haben einfach nur zu viele Fehler produziert und die Ägypter zu leichten Toren eingeladen“, sagte der Aufbauspieler, der bei der WM eine Schlüsselrolle einnimmt. Baur richtete den Blick nach vorn – auf das Eröffnungsspiel in vier Tagen: „Wir müssen noch viel arbeiten. Aber mit diesen Fans im Rücken werden wir kaum zu schlagen sein“, glaubt er.
Auch der routinierte Europameister von 2004 weiß indes, dass noch viele Teile in ein mögliches Weltmeister-Puzzle eingepasst werden müssen. Nötig ist etwa eine klare Leistungssteigerung bei Henning Fritz; der Welthandballer des Jahres 2004 bewies in der ersten Halbzeit von München keine gute Form, auch wenn Brand die Leistung des Kielers als „nicht überragend, aber okay“ einstufte. Dass Rechtsaußen Florian Kehrmann, der nach seinem auskurierten Mittelhandbruch sein Comeback im Nationalteam feierte, in den Auftaktspielen gegen die krassen Außenseiter Brasilien und Argentinien sein gewohntes Weltklasseniveau wiederfindet, darf nach dem guten Auftritt in München angenommen werden. Auch Baur, der ebenfalls bei den Testspielen in Ungarn pausiert hatte, legte als erfolgreichster Torschütze (sechs Treffer, davon drei per Siebenmeter) eine ansprechende Leistung aufs Parkett – eine beruhigende Entwicklung, da die wichtigste Alternative zu Baur, der Kronauer Velyky (Sehnenanriss in der Fußsohle), frühestens zur Hauptrunde einsteigen kann. „Ich hoffe, ich kann das Vertrauen der Mannschaft dann rechtfertigen“, sagte der Regisseur, der laut Brand „Fortschritte“ macht.
Überraschend kommt die jüngste Entwicklung Lars Kaufmanns, der in München erst sein 17. Länderspiel absolvierte. Zwar leistete sich der wurfstarke 24-jährige Halblinke im Angriff bei fünf Toren in elf Versuchen eine etwas zu hohe Fehlerquote, der Wetzlarer empfahl sich aber mit einer erstaunlich couragierten Leistung im Mittelblock als Alternative zu den verletzten Stammspielern Sebastian Preiß und Andrei Klimovets.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er sich im letzten Moment in den 16er-Kader hineingespielt hat, den Brand am Donnerstag nominieren muss. „Das war schon beachtlich, wie er sich da über weite Strecken in der Abwehrmitte bewegt hat“, kassierte Kaufmann ein Sonderlob von Brand, der es sonst eher vermeidet, einzelne Spieler herauszuheben. Sollten der zuletzt formstarke Preiß („Ich denke, ich kann am Dienstag wieder ins Training einsteigen“) und Klimovets, die in München vor allem als Kreisläufer fehlten, aber rechtzeitig ins Team zurückkehren und so die Verletztenliste verkürzen, dann könnte die Euphorie, die für die kommende WM vorprogrammiert zu sein scheint, lang anhalten. Wenn es nach Kapitän Markus Baur geht, bis zum Finale am 4. Februar in der Kölnarena: „Mein Ziel ist es, Weltmeister zu werden.“
ERIK EGGERS