Bleiberechtsregelung: Körting schiebt Auflagen ab
Berlins Innensenator kritisiert die zu rigiden Auflagen bei der Bleiberechtsregelung für lang geduldete Flüchtlinge. Deshalb könne nicht jeder Flüchtling ohne Einkommensnachweis abgeschoben werden.
Die im November 2006 beschlossene Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge wirft immer neue Probleme auf. Gedacht ist sie, um Menschen, die über Jahre mit unsicherem Aufenthaltsstatus in Deutschland leben, zu einem sicheren Aufenthalt zu verhelfen. Aber selbst der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) tadelt nun die Bundesregierung. Der Gesetzgeber habe sich bei der Verabschiedung einer "frommen Illusion" hingegeben, meinte Körting am Montag bei der Innenausschusssitzung des Abgeordnetenhauses.
Das Gesetz gibt Flüchtlingen, die nach der sogenannten Altfallregelung in Deutschland bleiben können, drei Jahre Zeit, um nachzuweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt sichern können. Die ersten Fristen, in denen die Flüchtlinge nun ihren Erfolg bei der Akquirierung eines Einkommens nachweisen müssen, laufen Ende 2009 aus. Und Innensenator Körting geht nicht mehr davon aus, dass die unter das Bleiberecht fallenden Flüchtlingen in großer Zahl den Einkommensnachweis erbringen können. Ohne diesen dürfen sie wieder abgeschoben werden.
Die Bleiberechtsregelung war ein Angebot an alleinstehende Flüchtlinge, die am Stichtag, dem 17. November 2006, bereits mindestens acht Jahre in Deutschland ansässig waren. Bei Familien galt, dass sie am Stichtag mindestens sechs Jahre im Land leben mussten. Wer erst nach dem Stichtag die geforderten Zeiträume erfüllt, kann von diesem Angebot keinen Gebrauch mehr machen und muss auf eine neue Altfallregelung in ferner Zukunft hoffen.
Wer jedoch ins vorgegebene Personen- und Zeitraster passt, muss weitere Kriterien erfüllen. Die Antragstellenden dürfen nicht im Asylverfahren stehen, dürfen nicht straffällig geworden sein und müssen nachweisen, dass sie sich auf Hartz-IV-Niveau selbst finanzieren können. "Letzteres ist natürlich sehr schwierig, da die Flüchtlinge bis dato gar keine Arbeitserlaubnis hatten", moniert Benedikt Lux (Grüne).
Gleichwohl bekommen sie meistens nur mit diesem Nachweis eine Bewilligung, die ihnen eine Frist von weiteren drei Jahren einräumt, um nachzuweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt finanzieren können. Bis Mai dieses Jahres wurden in Berlin trotz dieser Auflagen 2.666 Anträge gestellt. Bisher wurden sie bei 478 Familien und rund 170 Einzelpersonen bewilligt - 396 Anträge wurden abgelehnt.
Der Senator wies auf die Widersprüche in der Gesetzgebung hin: Man habe angenommen, dass die Flüchtlinge nach acht, respektive sechs Jahren ihren Aufenthalt in Deutschland gefestigt hätten. Deshalb gebe man ihnen weitere drei Jahre, um ihn weiter zu festigen. Erfüllen sie die geforderten Kriterien nicht, wolle man die nun noch viel gefestigteren Flüchtlinge wieder loswerden. Das hält er - auch wegen der in jedem Einzelfall notwendigen Prüfung - für nicht mehr opportun. Sein Fazit: "Wir werden nicht alle abschieben können, die wir abschieben müssten."
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