: Bleibende Werte in Frageform
■ In der Weserburg rüttelt der Künstler Imi Knoebel an den gängigen Vorstellungen von Bildern, Zeichen und Perspektiven
Im Gröpelinger Lichthaus ist der Bremer Künstler Ekkehard Altenburger zur Zeit käuflich. Wer ein paar Münzen in den Geldschlitz seiner Installation „Der Mäzen“wirft, kann einen Film abspulen, in dem Altenburger im Vogelkostüm Faxen macht. Kunst und Kohle – so die einfach formulierte Botschaft – sind halt auf vielschichtige Weise miteinander verquickt. Wie vielschichtig diese Bande ist, kann seit gestern wenige Kilometer weseraufwärts im Sonderausstellungsraum der Weserburg entdeckt werden. Denn dortselbst zeigt die Deutsche Bank mit einer Werkschau Kunst von Imi Knoebel, die ihr lieb und auch teuer ist.
Die Deutsche Bank umgibt der legendäre Ruf, ein jedes Stockwerk ihres Frankfurter Hochhausdrillings nach KünstlerInnen benannt zu haben. Im Dreierturm wimmelt moderne und modernste Kunst vor allem aus deutschen Landen. Dahinter verbirgt sich die vor zwei Jahrzehnten gefällte Entscheidung, in Zusammenarbeit mit einem Kuratorium von KunsthistorikerInnen sowie mit Galerien Kunst zu kaufen. Seither hat sich das Geldinstitut zu einem der meisten Sammler der Republik gemausert und die Erwerbungen in den Filialen zwischen Flensburg und Konstanz flächendeckend verteilt. Zudem wird eine KünstlerIn alljährlich für die Illustration des Geschäftsberichts ausgewählt und in Ausstellungen vorgestellt. So wie Imi Knoebel.
Der 1940 in Dessau geborene Imi (Wolfgang) Knoebel studierte in der zweiten Hälfte der 60er Jahre in Düsseldorf bei Joseph Beuys (Bankturm B, 37. Etage). Nach Auffassung des Weserburg-Direktors Thomas Deecke gehört er mit Blinky Palermo (Turm B, 21. Etage) zu den interessantesten Beuys-Schülern, „weil sie sich am weitesten von ihrem Meister entfernt haben“. Während sich Beuys auf vielen künstlerischen Feldern tummelte, widmete und widmet sich Knoebel (B, 23. Etage) vor allem der Auseinandersetzung mit dem Bild. Halb in der Tradition der Analytischen Malerei, halb mit dem Schalk im Nacken, formuliert Imi Knoebel immer wieder die Frage nach der Gültigkeit von Raum, Zeichen und Perspektive.
Dieses auf vielfältige Weise behandelte Hauptmotiv durchzieht die ausgestellten Arbeiten aus dem Zeitraum 1970 bis 1995. Dazu zählen die zu Beginn der 90er Jahre entstandenen Mennige-Bilder – eine Serie von ineinander verschachtelten Rechtecken, die sich theoretisch endlos in immer neuen Variationen fortführen ließe. Mit Werk und Thesen des russischen Konstruktivisten Kasimir Malewitsch setzt sich die „Russische Wand“auseinander: Knoebel zerlegt Malewitschs schwarzes Kreuz in seine quadratischen Einzelteile und variiert auch sie. Der Konstruktivist der 20er Jahre erklärte die einfachen Formen noch kühn zu „Ikonen“seiner Zeit. Imi Knoebel dagegen behauptet, daß von einer Verbindlichkeit von Zeichen gar keine Rede mehr sein kann.
Klar, daß solche künstlerischen Fragestellungen den Maßstäben der Kulturindustrie zuwiderlaufen. Und in der Weserburg hofft man unverdrossen, daß von den geladenen Eröffnungsgästen wenigstens einige als zahlende BesucherInnen zu gewinnen sind.
So wird diese Allianz mit der Bank nicht nur offiziell begrüßt. Denn ohnehin hat ein Sammlermuseum wie die Weserburg mit solchen Kontakten zur Kunst weniger Probleme als andere Häuser, denen die Ankaufsetats zusammengestrichen werden und die nur mit immer größere Mühe noch im Geschäft mit der Kunst mitbieten können. Die Weserburg aber ist schon dem Programm in erster Linie ein Ort der „Zweitverwertung“.
Und so können sich alle freuen: Die Bank, weil sie clever bleibende Werte schafft. Imi Knoebel, weil sein Wert durch die Ankäufe gestiegen ist. Das Museum Weserburg, weil es eine wertvolle Ausstellung bekommt. Und auch der Bremer Ekkehard Altenburger, weil er mit einfachen Mitteln einige Kilometer weserabwärts die ganze Chose mit der Kunst und der Kohle zum Ausdruck bringt. Christoph Köster
Imi Knoebel, Werke aus der Sammlung der Deutschen Bank, bis zum 31. März in der Weserburg
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