piwik no script img

Blauer Himmel reicht nicht aus

■ Das neue Reisejournal des DFF „Azur“ lacht, verlockt ... und frohlocket? / Moderatoren wollen das Beste / Ein Reise-Handbuch käme dem Zweck näher / Preisfragen a la Werbung

Allen auf dem Sender nehme ich es übel, daß sie sich jetzt als „Deutscher Fernsehfunk“ verkaufen. Namen sind zwar nur Verpackung. Aber mit ihnen lebt man. Mir jedenfalls ist ein Stück Identität verloren gegangen. Aber was soll's. Ich bin nicht d a s V o l k . Ich bin es wirklich nicht. Nach diesen Wahlen fühle ich mich mieser. Bock auf sonstwas mehr gen Null als je zuvor.

Der Montagabend plämperte in den nächsten ungewissen Tag. Das neue Reisejournal des DFF soll Lust auf jenen machen. Es heißt Azur - Himmelblau lese ich tatsächlich fassungslos als einzige Erläuterung dazu im Duden. Hatte auf mehr Hintersinn gehofft, denn d a s ist nicht das, was ich zum Reisen brauche. Die Moderatoren der Sendung wollen das Beste. Schon mal vorfahren, erkunden, probieren, empfehlen, warnen, Mut machen. Auf die Bayrischen Alpen zum Beispiel, auf Mallorca, Skandinavien und ein Wolgaschiff.

Tips, wo es billiger ist oder was sich nicht vermeiden läßt. Auf die Zugspitze läuft man eben zehn Stunden, wer oben noch was genießen will, muß vielleicht doch die über vierzig DM für die Bayrische Zugspitzbahn berappen. Moderator Horst Mempel bzw. der DFF haben sie auch aufgebracht und trösten mit dem, was einen da oben erwartet. Ich denke an den Wahlsieg des Rückschritts und beneide die da im Schnee um ihre schnellen Skier. So schnell kann ich mich an nichts gewöhnen, auch nicht an den Gedanken, in Oberammergau zu stehen und mir die geschnitzten Holzengel einfach nicht leisten zu können.

Bei den Bäuerinnen im Nachbarsdorf erkundet Mempel die Zimmerpreise. Eine Omi traut sich den ihren nicht zu nennen und geht rasch aus dem Bild. Aber ... als Horst Mempel dann mit ihr allein ist ... verrät sie ihm doch, was es bei ihr kostet. Und er verrät es dann uns.

Schauen Sie doch einfach mal rein! Wer wirklich nur darauf wartet, die Koffer mal ganz anders zu packen, für den dürfte die Dreiviertelstunde sowas wie ein Startschuß gewesen sein, der konnte sich Adressen mitschreiben und sofort erste Kontakte knüpfen. Auch für Reisen ohne den „großen Reiseveranstalter“. Denn auch der Bundesbürger will privat reisen und sucht bei uns ein Zimmerchen. Sowas wird vermittelt - und auf Rügen aufgepaßt: Die Gegend steht da drüben hoch im Kurs.

Das Fernsehen tut mit dieser Sendung sicher wichtige Dienste, aber ein Reise-Handbuch im Taschenformat wäre diesem Zweck gerechter geworden. Man könnte immer wieder mal nachschlagen. Auch wenn laufende Bilder sicherlich verführerischer sind. Aber wir wollen uns doch nicht auch hier noch gegenseitig was vormachen, zumal diese Bilder aus Mallorca kommen.

Maybrit Illner - die Dame im Studio (eine angenehme Erscheinung vor der einfallslosen Kulisse - darf ich als Frau sagen, daß ich dieses Gesicht gern sehe?) erzählt ein bißchen von der größten Insel der Balearen im Mittelmeer, auf der sie selber nicht war. Ich hätte es ihr gegönnt. Außerdem: Sie dort im Bikini am Strand, und ich hätte vielleicht wirklich geglaubt, daß es möglich ist.

Was ich nicht geglaubt hätte: Das Reisebüro der DDR sitzt derzeit auf seinen Reisen und kann nicht mal mehr annoncieren. Die DDR-Zeitungen können sich mit dem Geld, was für jene Annoncen geboten wird, schwerer über Wasser halten. So weit ist es nun schon gekommen. Aber wem sage ich das.

Wir sind mittendrin. So jetzt auch bei uns der Kampf ums Ansehen bei sinkenden Anforderungen an die Sinne. Preisfragen a la Werbefernsehen( Tatsächlich: „Wie heißt die Hauptstadt von Mallorca?“) versprechen Reisen umsonst. Ich weiß doch, daß man da gerne zugreift. Also: Wenn mein kleiner Haack-Atlas nicht lügt, ist das PALMA D. M. Die Reisen vergibt: DFF, Azur - das Reisemagazin, 1199, Kennwort: Quiz. Viel Spaß!

Nadja Klinger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen